Quarten
einsetzt. An dieser Stelle gleicht die Musik einer inneren Stimme Jills. Sie erinnert sich
an vergangene Tage in der Villa ihrer Mutter, doch die Zeiten haben sich geändert. Ihre
Mutter scheint nicht mehr dort zu wohnen. Ihre kindliche Unschuld hat Jill längst
abgelegt.
Im weiteren Verlauf scheinen die Motive aus dem Hauptthema immer wieder die
Gefühlslage der Jill atmosphärisch einzufärben. Sie verstärken das, was auf der Leinwand
zu sehen ist. Jill in Fabios Armen: Dur-Motiv (Take 30). Jill physisch und psychisch
schwer angeschlagen auf Fabios Bett: Motivabspaltung in des-moll mit fast schon an das
Tristan-Motiv erinnernder Vorhaltsbildung (Take 31). Diese Paraphrasierung
korrespondiert mit der allgemein recht konventionell gehaltenen Musikdramaturgie dieses
Films.
Auch in den folgenden Szenen tauchen die oben erwähnten Merkmale (Auftakt, Bass,
Vorhalte) auf. Jene Takes sind jedoch - teils dramaturgisch bedingt, teils aufgrund ihrer
thematischen Eigenständigkeit - in eigene Subgruppen unterteilt.
Liebesthemen Die folgenden Themen erklingen zu einem entscheidenden Zeitpunkt im
filmischen Geschehen: Nach ihrem Selbstmordversuch entflammt erneut Jills Liebe zu
Fabio (die dieser nun auch beantwortet). Gleichzeitig beichtet ihm der scheinbar
geläuterte Star von seinen zahllosen Liebesaffären und gelobt Besserung. An diesem
(zweiten) Wendepunkt erklingt zunächst ein Thema (›Liebesthema I‹), das die
charakteristischen Motivmerkmale aufweist: Septimauftakt, Vorhaltsbildung im dritten
Takt und aufsteigende Basslinie. Dennoch ist der Charakter hier ein anderer, die
Harmonik (as-moll mit Halbschluss auf Ces-dur) unterscheidet sich vom Originalthema
(anstelle der Dominante Tonika im zweiten Takt – zu erwarten wäre Es7 – erklingt die
Dominante der Tonikaparallele, Ges-dur mit Terz im Bass). Der Charakter ändert sich
ebenfalls: Das ursprüngliche kleine Klavierstück nimmt hier leidenschaftliche Züge
an.
Das ›Liebesthema II‹ (Take 35), erklingt ebenfalls in Segment 62. Wieder erkennt
man die typischen Motiv-Merkmale. Wieder ändert sich der Charakter. Nach der
Streichereinleitung klingt es wie das zweite Thema eines Klavierkonzertes. Durch die
feine Melodieführung und die typisch romantische Begleitung in gebrochenen Akkorden
steht es möglicherweise für die Harmonie, für die wenigen Stunden des Glückes, die das
frisch verliebte Paar in Fabios Wohnung verbringt. Die ›Liebesthemen‹ erklingen kurz
darauf ein weiteres Mal, bevor sich die Stimmung und der Ort der Handlung abermals
ändern.
Paris-Themen(Marsch, Jazz-Waltz, Foxtrott). Die unter dem Namen ›Paris-Themen‹
zusammengefassten Takes stehen im Kontrast zu der bis dahin verwendeten
Klavier/Streicher-Klangfarbe und verweisen auf den Ortswechsel. Diente bereits in den
Filmen Ascenseur pour l’échafaud und Les Amants das Jazz-Idiom bzw. die Musik der
Variétés und Bars als akustisches Kennzeichen der Metropole Paris, so wird dieses
Schema nun fortgesetzt. In Segment 23 erklingt zunächst eine Art Marsch (Take 17),
der durch seinen triumphierenden Gestus Jills Erfolge illustriert. Sofort wird der
Kontrast zum verschlafenen Genf deutlich: Das Leben in Paris pulsiert auf der
Straße, es werden Cafés und der dichte Verkehr gezeigt.
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