gestellt. Da es sich bei Filmmusik stets um funktionale Musik
handelt,7
Vgl. Eggebrecht, Hans Heinrich: »Funktionale Musik«. In: Archiv für Musikwissenschaft 30
(1973), S. 1–25, hier S. 4: »Funktionale Musik ist dementsprechend ihrem Begriff nach
jene Musik, als deren Wesentlichkeitsmerkmal es gilt, daß sie auf eine bestimmte Funktion,
(Aufgabe, Dienstleistung) bezogen ist: Musik, deren Produktion bzw. Reproduktion sich
versteht und zu verstehen ist in intendierter Abhängigkeit von einem konkreten Zweck, in
Erfüllung einer Verrichtung (lat. Functio).«
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kommt der Filmmusikforscher nicht umhin, Vermutungen über intendierte Wirkungen der Musik
anzustellen.8
Die Bedeutung der Wirkung einer Filmmusik verdeutlicht sich in folgendem Zitat Wolfgang
Thiels, der den Wert einer Filmmusik an ihrer Wirkung misst: »Der qualitative Aspekt dieser
Beziehung [zwischen filmischem Anliegen und musikalischer bzw. akustischer Gestaltung]
betrifft die intendierte und im filmischen Produktions- und Rezeptionsprozeß von den
Gestaltern und Zuschauern subjektiv erfahrbare Wirkung der eingesetzten auditiven Mittel
im Vergleich zum vorher stummen Bild. Somit ist Wirkung als sinnlich wahrnehmbare
Beziehungsqualität von Bild und Musik – bezogen auf die Ganzheit eines Films – das
entscheidende Wertkriterium einer Filmmusik. Der ästhetische Wert einer Filmmusik ist
folglich erst in zweiter Linie eine Zustandsgröße, deren künstlerische Qualität mit Hilfe einer
syntaxbezogenen Analyse bestimmt werden kann.« (Wolfgang Thiel: »Integrale Filmmusik.
Ein Thesenpapier«. In: Neubauer, Jan/Wenzel, Silke (Hrsg.): Nebensache Musik. Beiträge
zur Musik in Film und Fernsehen. Hamburg: von Bockel 2001, S. 47–52, hier S. 47)
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Durch Vergleich der musikalischen Mittel und Einsätze und deren dramaturgischer
Position im Film können Schlüsse über die Filmklangästhetik gezogen werden. Es
dienen klischeehafte Verwendungen in Bezug auf Instrumentierung (Streicher bei
Liebesszene; großes Orchester bei dramatischen Sequenzen etc.), Harmonik/Melodik
(affektbeladene Intervalle und Melodiewendungen) und Ambitus (tiefe Frequenzen
für Gefahr und Bedrohung) als indirekte Vergleichsmaßgabe zur Überprüfung
des einleitenden Zitats Malles, die freilich nicht bei jedem Film abgehandelt
wird, sondern von Fall zu Fall Erwähnung findet. Anhand der Klassifizierungen
Paraphrase/Kontrapunkt,9
Vgl. Pauli, Hansjörg: »Filmmusik: ein historisch-kritischer Abriß«. In: Schmidt,
Hans-Christian (Hrsg.) (1976a): Musik in den Massenmedien Rundfunk und Fernsehen.
Perspektiven und Materialien. Mainz: Schott 1976, S. 91–119, hier S. 104ff.
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die trotz des Mangels an terminologischer Präzision eine erste Annäherung an das
Musik-Bild-Verhältnis ermöglichen, kann der Anspruch Malles überprüft werden,
Verdoppelungen in der Bild-Ton-Aussage zu vermeiden und stattdessen die Musik
punktuell und kontrapunktisch einzusetzen: »Moi, j’essaie plutôt d’utiliser la
musique en contrepoint, en ponctuation et la musique, ou disons la bande sonore
de mes films, souvent sert beaucoup, elle introduit un élément différent ou
neutre.«10
Louis Malle in: Le bon plaisir (»Ich versuche eher, die Musik punktuell oder kontrapunktisch
einzusetzen, und die Musik, oder besser gesagt, die Tonspur dient dem Film in großem Maße,
da sie ein anderes oder neutrales Element hineinbringt.«). Leider führt Malle nicht näher aus,
was er mit ›neutralem Element‹ meint.
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Ein weiterer wichtiger Schlüssel für das Aufdecken der Ästhetik liegt in der aus den
statistischen Daten resultierenden Quantität des Musikeinsatzes. So kann beispielsweise
aufgezeigt werden, ob ein Film musiklastig oder musikarm ist, ob Musik an markanten
Stellen erklingt oder bewusst ausgespart wird und wie lang die einzelnen Takes
sind.11
Dieser Aspekt ist von Bedeutung, da laut Norbert Jürgen Schneider kurze Takes keine
physiologische Wirkung auf den Filmbetrachter ausüben. Vgl. Schneider, Norbert Jürgen:
Komponieren für Film und Fernsehen. Ein Handbuch. Mainz: Schott 1997, S. 66
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