musikästhetische
Credo von Louis Malle auf den Prüfstand zu schicken – das ist der Fokus dieser
Untersuchung. Ausgehend von diesen Überlegungen und ästhetischen Kriterien besteht
die Frage nach weiteren verbindenden Elementen seiner Filmklangbehandlung, die eine
Konstante im Schaffen des Regisseurs bilden könnten. Diese bezieht sich sowohl
auf stilistische Präferenzen, auf die Art des Einsatzes, auf die Quantität der
eingesetzten Musik und auf deren Funktionen. Das übergeordnete Ziel dieser Studie
ist somit das Herausarbeiten des filmklangästhetischen Konzepts von Louis
Malle.
Das Werk Louis Malles ist wie kaum ein anderes aus dem Kreise seiner Zeitgenossen von größter Vielfalt geprägt. Im Gegensatz zu den ›Autoren‹ Claude Chabrol und François Truffaut, die einen Großteil ihres Werkes einem bestimmten Themenkomplex gewidmet haben, ändert Malle mit nahezu jedem Film sowohl Genre als auch Thematik:5
Somit stellt sich die Frage, ob Malle durch die Ästhetik seines Filmklangeinsatzes eine Kontinuität erreicht, die erlaubt, von einer filmklanglichen Handschrift zu sprechen. Diese könnte wiederum in akustischer Hinsicht die Bezeichnung des Autorenbegriffs für Malle legitimieren könnte. Hinzu kommt, dass sich in Malles Werk in regelmäßigen Abständen Fiktionsfilme mit Dokumentarfilmen abwechseln. Diese Tatsache wirft die Frage nach Wechselwirkungen bzw. nach einem Einfluss der Dokumentarfilme auf die Spielfilme sowohl in visueller als auch in auditiver Hinsicht auf. Malle hatte bis auf Fiorenzo Carpi und Georges Delerue keinen Filmmusikkomponisten, der für mehr als einen Film die Partitur fertig stellte. Damit hebt sich Malle von den oben erwähnten Regisseuren Truffaut und Chabrol ab, die ihrerseits auf eine langjährige Zusammenarbeit mit Pierre Jansen (Chabrol) und Delerue (Truffaut) zurückblicken konnten. Dementsprechend wird die Stellung Malles im Vergleich zu anderen Regisseuren der Nouvelle Vague bzw. zur allgemeinen Musikbehandlung in der Nouvelle Vague von Bedeutung sein. Denn obgleich Malle sich niemals als Bestandteil dieser Bewegung sah – anders als seine Berufskollegen Truffaut, Godard und Rohmer stammte er nicht aus dem Kreise der Cahiers du cinéma-Kritiker – beeinflusste er dennoch durch seine Frühwerke Ascenseur pour l’échafaud und Les Amants die darauf folgende Entwicklung des französischen Kinos in hohem Maße.6
Die einzelnen Kapitel über die Filme behandeln die Ästhetik bzw. funktionale Verwendung von Musik und Filmklang. Dabei werden statistische Daten über Anzahl und Länge der Musikeinsätze gesammelt, die verwendete Musik stilistisch eingeordnet, für den einzelnen Film charakteristische Musik-Bild-Bezüge aufgedeckt und exemplarische Funktionen (zum Teil anhand von Szenenbeschreibungen) dar- |