Bestandteil der Filmhandlung fungiert. Die möglicherweise vom Zuschauer empfundenen
Wirkungen können somit aus der eventuellen Diskrepanz zwischen der subjektiven Wahl
der Musik des Regisseurs und der dokumentarischen Sicht der moralischen
Wertvorstellungen in den Vereinigten Staaten der Jahrhundertwende einerseits und
den persönlichen Reaktionen des Filmbetrachters andererseits resultieren; ein
Aspekt, den Malle im obigen Zitat mit ›message et propre profit‹ (›persönliche
Botschaft und Nutzen‹) des Rezipienten beschreibt. Malle dramatisiert jedoch nicht,
sondern stellt lediglich die damaligen Zustände in einer realistischen Weise
dar.
An diesem Beispiel wird der Kerngedanke der Filmklangästhetik Malles deutlich: eine verstärkte aktive Partizipation des Filmbetrachters am Rezeptionsprozess. Die Unaufdringlichkeit (gerade) der Musik, die Malle in nahezu all seinen Filmen selbständig bestimmt, resultiert vornehmlich aus ihrem dokumentarischen Einsatz. Zumeist wählt der Regisseur Musik aus seinem persönlichen Erfahrungsschatz691
Gerade in der Phase des Dokumentarischen Spielfilms wird diese ästhetische Haltung deutlich. Durch den Einsatz im On, durch die Integration in den Handlungskontext und durch den authentischen Einsatz zeitgenössischer Musik wird die Tonspur zu einer Einheit, die dem Filmbetrachter zunächst nicht als bewusst eingesetztes dramaturgisches Element erscheint. Vielmehr enthält sich die Tonspur an dramaturgischen Schlüsselstellen eines eindeutigen Kommentars, der dem Zuschauer eine Bewertung, eine Emotion oder einen Hinweis auf die Intentionen des Regisseurs geben könnte. Der Rezipient soll angeregt werden, sich selbst ein Urteil über den Handlungskontext zu bilden. Diese Freiheit unterstützt die Musik nicht durch ein aktives Eingreifen in den Rezeptionsprozess, sondern vielmehr durch ein passives ›stillschweigendes Vorhandensein‹.
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