- 235 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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die zudem auch noch indirekt der Vergnügungsindustrie dient, da alle Bewohner früher oder später in einem Kasino arbeiten wollen. Hier bestätigt sich ein subtiles Prinzip, welches auch in anderen Takes deutlich wird.

Durch die Musik werden die einzelnen Charaktere dargestellt, aber auch ironisch hinterfragt: Lou, der immer noch die Musik seiner Jugend hört und seinem Freund Buddy sagt, dass dieser zu sehr in der Vergangenheit lebe; Fred, der den Prototyp eines Dealers darstellt, während im Hintergrund klischeehafte Barmusik gespielt wird und in diesem Fall eben Free Jazz-Idealismus in einer Gemeinschaft, die das kapitalistische Glücksspielsystem repräsentiert.

Slot Machine Baby (Take 2/26) Michel Legrand bedient sich hier abermals bekannter Klischees, um die Flower-Power-Attitude von Chrissie zu unterlegen. Zu ihren weltfremden Fantasien über Gleitschirme, LSD und tätowierte Babyköpfe komponiert er eine atmosphärisch entfernt an das Stück Aqua Marine von Carlos Santana erinnernde Instrumental-Nummer, in der Sitar und Steel-Guitar über einen Orgelpunkt improvisieren. Die Sitar ist spätestens seit den Indien-Erfahrungen der Beatles zum klischeehaften Kennzeichen für spirituelle Horizontserweiterung (und Drogenkonsum) geworden. Erneut ironisiert die Musik somit die Haltung der Chrissie, die nicht an Schwerkraft, dafür aber an die Wiedergeburt glaubt.

Bellini-Rock (Take 4/26) Der Titel dieses Funk-Rock Stücks weist auf die Situation hin, in der es erklingt. Während Sally in Segment 20 an der Spüle steht und die Bellini-Arie erklingt, schaltet Dave auf Radioempfang, wo der Bellini-Rock erklingt. Die Musik wirkt durch aggressive Gitarrensounds wie eine Vertonung von Daves Verhalten in dieser Szene. Eine ironische Wirkung ergibt sich allenfalls aus dem Kontrast zur Opernarie und durch das ständige trotzige Wechseln der beiden Stilrichtungen am Kassettenrekorder.

No Gambling Allowed (Take 7/26) Während Lou im heruntergekommenen Viertel die Wetteinsätze einsammelt, tanzen Farbige zum Stück No Gambling Allowed, das aus einem Autoradio tönt. Legrand kennzeichnet hier die Welt der armen Farbigen, die jenseits der Glitzerwelt verwahrloste Häuser in einem Ghetto bewohnen, aber dennoch voller Optimismus den großen Gewinn in Freds Lotterie für kleine Leute erhoffen (»Make me a winner, man!«). Stilistisch eine Reminiszenz an die Soundtracks von amerikanischen Blaxploitation-B-Movies (z. B. Shaft, USA 1970; Regie: Gordon Parks; Musik: Isaac Hayes), transportiert diese Musik, die auf einem typisch souligen Funk-Groove basiert, einen Hauch von Manhattan bzw. der Bronx in das Seebad.

Atlantic City, My Old Friend (Take 14/26) Dieses Stück, das im Film von Robert Goulet interpretiert wird, stammt im Original von Paul Anka. Es fasst die Aufbruchstimmung des Seebads zu dieser Zeit (Ende der 70er-Jahre) in Wort und Musik. Und an dieser Stelle kommentiert die Musik – mit bitterem Sarkasmus – die Versuche, diese Stadt in altem Glanze erstrahlen zu lassen. Denn der wie ein billiges Entertainer-Imitat wirkende Goulet singt keinesfalls vor erlesenen


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