- 203 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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Die Musik Django Reinhardts im Film Die fünf Stücke Reinhardts, die Malle im Hôtel des Grottes verwendet, sind zeitgenössische Aufnahmen, die der Gitarrist in den Jahren 1940–1943 aufnahm.536

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Manoir de mes rêves: 17. 2. 1943; Nuages: 13. 12. 1940; Douce Ambiance: 17. 2. 1943; Fleur d’Ennui: 26. 2. 1943; Lentement, Mademoiselle: 31. 3. 1942
Sie unterscheiden sich vom ursprünglichen ›Quintette du Hot Club‹-Klang durch das Fehlen der Violine Stéphane Grappellis. Dieser hatte sich bei Kriegsbeginn nach England abgesetzt. Django Reinhardt ersetzte ihn durch Hubert Rostaing bzw. Gérard Lévêque und André Lluis an der Klarinette. Malle wählte diese Aufnahmen aus atmosphärischen Gründen: »[. . . ] Django ersetzte ihn [Grappelli] durch einen Klarinettenspieler. Mit Sicherheit war das der Einfluß der Zeit; diese Aufnahmen aus den Jahren 1942/1943 mit der Klarinette anstelle von Grappellis Geige waren sehr trübsinnig, düster. Und ich dachte eben, das sei die perfekte Hintergrundmusik für diese Zeit.«537
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French (1998), S. 145
Zunächst soll näher auf die Takes 10, 19 und 22 eingegangen werden (Die Takes 17 und 18 erklingen auf der Abschiedsparty von Jean-Bernard und werden später behandelt).

Take 10 wird in den Segmenten 29–31 montiert. Am Abend von Luciens erstem ›Arbeitstag‹ für die Gestapo sitzt die Belegschaft des Hôtel des Grottes in der Bar des Hotels beisammen. In dieser Szene werden die einzelnen Personen charakterisiert: Faure, der Nationalist, der von den Engländern angewidert ist, Betty, die naive Schauspielerin, die vor Lucien angibt, Mme Georges, eine ›sacrée femme d’affaire‹, die mit Aubert auf dem Schwarzmarkt handelt, Marie, die auf der Suche nach ein wenig Zärtlichkeit ist und anschließend Lucien verführen wird, und Tonin, der gestresste Chef der Polizeiabteilung, der gerade vom Foltern die Treppe herunterkommt. Mitten in dieser Konstellation sitzt Lucien, der hier mit einer gänzlich anderen Welt konfrontiert wird, als er bisher in seinem Dorf Souleillac kennen gelernt hat. Aubert schaltet das Grammofon ein, es erklingt Manoir de mes rêves. Die langgezogenen Klarinettentöne des Themas korrespondieren mit der Stimmung zu dieser späten Stunde in der Bar, vor allem aber mit der Verfassung Luciens, der vom Alkohol träge und von den Eindrücken des Tages überfordert zu sein scheint. Schließlich steht er auf, geht die Treppe hinauf und sieht, wie Peyssac gefoltert wird. Die Musik bleibt die ganze Zeit über präsent. Sie gehört ebenso zum Interieur des Hotels wie die schweren Teppiche, die heterogene Belegschaft und Bettys dänische Dogge, die sich die ganze Zeit über zu langweilen scheint. All diese Faktoren, vor allem jedoch die Musik tragen zu der Banalisierung des Bösen bei. Wenn Peyssac fast ertränkt wird, Betty sich darüber amüsiert, dass der Folterknecht Jean-Bernard seine Hose durch Wasserspritzer ruiniere und dazu die Klarinetten das Thema spielen, gewinnt die Szene eine erschreckend normale Brutalität. Die Musik trägt dazu bei, dass der Filmbetrachter nicht durch auditive Effekte geschockt, sondern im Gegenteil sanft eingelullt wird, um dann die kontrastierenden Bilder wahrzunehmen.

Einen ironischen Kontrapunkt liefert der Titel des Stückes, ›Landhaus meiner Träume‹. Die Bilder zeigen eher ein ›Landhaus der verlorenen Träume‹, da fast alle in ihm wohnenden Personen gescheiterte Existenzen sind, vom Ex-Radprofi Aubert


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