- 202 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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Café kann ich mich erinnern, mit einer Tafel ›Keine Juden und Nigger‹ im Fenster, aber die hatten die Franzosen hingehängt. Die Franzosen waren den Negern gegenüber viel rassistischer als die Deutschen.«531
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Zit. n. Zwerin (1988), S. 46
Und der farbige Leiter einer Jazzband beschwerte sich bei den deutschen Behörden, weil der Eigentümer einer Pariser Bar keine farbigen Musiker einstellen wollte. Der Offizier erteilte ihm die Genehmigung: »[...] die Deutschen waren glücklich, uns zu hören. Sie applaudierten uns. Wir hatten eine Sondergenehmigung, Jazz zu spielen. [...] Wir hatten gute Beziehungen. Natürlich sprachen wir nie über Politik; nur über Musik oder über das Wetter.«532
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Ebda., S. 47
Hier wird klar, wie sehr die Musiker von der Willkür und den musikalischen Präferenzen der zuständigen Offiziere abhingen, die ohne weiteres Erlaubnisse und Genehmigungen durchsetzen konnten.

Auch Django Reinhardt, als Jazzmusiker und Zigeuner unter den Nazis im Prinzip zwei Risikogruppen zugehörig, genoss einen besonderen Status. 1910 geboren, gründete er 1934 das berühmte ›Quintette du Hot Club de France‹. Während der späten dreißiger Jahre, vor allem aber während der ersten Jahre der Besatzungszeit erlangte er in diversen Besetzungen große Erfolge. Seine Stellung während des Krieges beschreibt Zwerin wie folgt:

»Dennoch bewegte er sich gelassen durch die Zeit der Okkupation, wohnte in den besten Hotels, fuhr große Limousinen, spielte um hohe Einsätze, aß wie ein Gourmet, schlief bis weit in den Nachmittag. Sein Bild hing an den Mauern von Paris, seine Konzerte waren ausverkauft, Franzosen und Deutsche pfiffen seine Komposition Nuages auf der Straße. [...] Er war so frei, wie eine Affe, der sich durch Bäume schwingt, er stand über allen Vorschriften wie ein Geheimagent, ein Doppelagent, so selbstsicher, daß er es sich leisten konnte, aus der Versenkung aufzutauchen und sich mit einem Offizier der Luftwaffe fotografieren zu lassen.«533

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Zwerin (1988), S. 43 f. Zwerin spielt hier auf das bekannte Foto an, das Dr. Schulz-Köhn im Kreise mehrerer Jazzmusiker zeigt, unter anderem auch Django Reinhardt.

Django Reinhardt war in dieser Zeit ein Superstar, ein Aushängeschild des französischen Jazz. Man bot ihm sogar eine Deutschlandtournee an. Wie sehr er von diesem Status profitierte, beweist die Tatsache, dass er 1943 nur aufgrund des Wohlwollens und der Liebe zum Jazz eines deutschen Kommandanten dem Tode entging. Beim Versuch, in die Schweiz zu fliehen, wurde er von deutschen Grenzsoldaten abgefangen. Für einen Resistance-Kämpfer gehalten, der zudem noch mit einer Mitgliedskarte der englischen Komponistengesellschaft ausgestattet war, erhielt er lediglich eine Verwarnung, nachdem der zuständige Offizier ihn erkannt und mit den Worten »Mon vieux Reinhardt, que fais-tu là?«534

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»Reinhardt, mein Alter, was machst denn du hier?«, zit. n.: Zwerin (1988), S. 190 f.
begrüßt hatte.

Es ist somit durchaus möglich, dass auch Mitglieder der Gestapo und der SS seine Musik hörten, obwohl Louis Malle dieses anzweifelt.535

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Vgl. French (1998), S. 145: »Es ist ja ziemlich unwahrscheinlich, daß die Gestapo Django hören würde!«
Im Quartier der Miliz im Film, in dem bei Partys der Swing erklingt, verkehren denn auch fast ausschließlich französische Kollaborateure und nur selten Deutsche.


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