- 204 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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über den demissionierten Inspektor Tonin bis hin zur Möchtegernschauspielerin Betty Beaulieu.

Take 19 setzt in Segment 63 ein, unmittelbar nachdem zuvor Betty und Jean-Bernard von Heckenschützen erschossen aufgefunden wurden. Erneut erklingt die Musik vom Grammofon in der Hotelbar. Die Stimmung und die Personenkonstellation hat sich jedoch verändert: Tonin, Jean-Bernard und Betty sind von Résistance-Kämpfern getötet worden. Lediglich Lucien, der Martiniquaner Hippolyte und Aubert befinden sich im Raum. Letzterer ist von seinem Platz hinter der Theke auf einen Barhocker gewechselt. Stark alkoholisiert sinnt er melancholisch vergangenen Tagen seiner unglücklich verlaufenen Radprofikarriere nach. Der Text zum Film gibt Aufschluss über die von Malle intendierte Funktion der Musik, hier das Stück Fleur d’Ennui. Hippolyte erklärt Lucien in dieser (im Film herausgeschnittenen) Szene, dass die Nummer Auberts »chanson préférée«538

538
Malle/Modiano (1989), S. 87 (»Lieblingslied«)
sei. In der Regieanweisung, die den Titel des Stückes im Text vermerkt, steht anschließend: »L’ambiance et la musique donnent un sentiment de désolation et de mélancholie.«539
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Ebda. (»Das Ambiente und die Musik erzeugen eine verzweifelte und melancholische Stimmung.«)
Erneut kreiert die Musik folglich die Atmosphäre, die in verstärktem Maße von Aussichtslosigkeit und einer Endzeitstimmung geprägt ist.

Gesteigert wird diese Stimmung mit Take 22 in Segment 80. Es herrscht die gleiche Personenkonstellation wie in Segment 63: Aubert hängt betrunken an der Theke, Hippolyte bedient den Plattenspieler und Lucien scheint im Sessel zu schlafen. Die Steigerung der Hoffungslosigkeit erfolgt dadurch, dass Aubert im Gegensatz zur vorherigen Szene nichts mehr erzählt und dass die Schallplattennadel springt, so dass immer wieder die gleiche Phrase wiederholt wird, bis Hippolyte die Nadel an den Anfang setzt. Gleichzeitig ertönen die Schmerzensschreie des von SS-Männern Gefolterten im Obergeschoss. Die sich immer wiederholende Passage auf der Schallplatte deutet auf die Ausweglosigkeit der Situation Auberts und der Kollaborateure hin, die sich wohl bewusst sind, dass die Befreiung Frankreichs durch die Alliierten und das Ende des paradiesischen Lebens nur noch eine Frage der Zeit sein werden. Wie bereits in Take 10 wird die Melodie des Stückes Lentement, Mademoiselle aus langen Klarinettentönen gebildet, die sehr gedämpft erklingen und so dem Dämmerlicht und der Stimmung entsprechen. Eine weitere Parallele zu Take 10: Während Lucien in das Zimmer des Gefolterten geht, bleibt die Musik fortwährend präsent. Sie bildet demnach auch in diesem Fall die harmlose Kulisse für die Gestapo-Gräuel.

Zwei weitere Django Reinhardt-Stücke erklingen im Hôtel des Grottes, der wohl bekannteste Standard des Gitarristen, Nuages, und Douce Ambiance. Der Titel Nuages (Take 17) war zur damaligen Zeit ein Hit, gerade die verwendete Einspielung vom Dezember 1940 ist wohl die bekannteste. Das Stück erklingt, als France Lucien das Tanzen beibringt. Während der Auseinandersetzung mit Marie und Frances Flucht ins Badezimmer ist es immer noch vernehmbar. Douce Ambiance (Take 18) schließt sich direkt an das vorherige Stück an, es ertönt, während Lucien und France sich küssen.


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