In diesen persönlichen Kommentaren manifestiert sich immer wieder die vom Regisseur
selbst konstatierte Machtlosigkeit, die komplexe Realität Indiens zu erklären: »Ses
remarques conservent l’opacité et la complexité des choses, l’auteur posant en hypothèse la
contradiction entre ses émerveillements [. . . ] et son horreur [. . . ], son incompréhension, aussi
[. . . ].«366
Prédal (1989), S. 82 (»Seine Bemerkungen erhalten die Undurchsichtigkeit und Komplexität
der Dinge, indem der Autor den Widerspruch zwischen seiner Bewunderung und seiner
Abscheu und auch seiner Verständnislosigkeit verdeutlicht.«)
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Dabei versucht Malle nicht, den Filmbetrachter von irgendwelchen
Ansichten zu überzeugen, geschweige denn Lösungsvorschläge zu geben:
»le commentaire, rare, est limité à quelques informations indispensables;
pas de jugement facile, pas d’orientation proposée, pas de conclusions
souveraines.«367
Haustrate, Gaston: »Calcutta. La vie, une illusion«. In: Cinéma 69 137 (6/69), S. 132–134,
hier S. 134 (»der seltene Kommentar ist auf einige unverzichtbare Informationen beschränkt:
keine vorschnellen Urteile, keine vorgeschlagene Richtung, keine absoluten Lösungen.«)
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Teilweise setzt Malle den Kommentar als Korrektiv ein, falls die Bilder Gefahr laufen,
falsch verstanden zu werden. So zeigt er im letzten Segment des ersten Teils der Reihe
L’Inde fantôme einige pittoreske Bilder von Fischern, die frühmorgens an der
Küste von Madras ihre Netze aus dem Wasser holen. Ein Fremder kommt auf
einem Fahrrad, um Fische zu kaufen und diese anschließend wiederum auf einem
nahegelegenen Markt zu verkaufen. Ohne den entlarvenden Kommentar über die
Ausbeutung der Fischer durch diesen Zwischenhändler würde der Filmbetrachter den
Zusammenhang nicht verstehen und diese versteckte Realität hinter den schönen
Bildern verpassen. Malle selbst beschreibt, dass er und seine Crew häufig diese
Hintergrundinformationen während der Dreharbeiten nicht hatten und oftmals erst
hinterher die genaue Bedeutung der Bilder erfuhren: »Il y avait ainsi un constant
dépassement dialectique de l’image par des informations que souvent nous n’apprenions
qu’ensuite.«368
In: Comolli/Narboni/Rivette (1969), S. 33 (»Ständig wurde somit die Bedeutung der
Bilder durch Informationen, die wir erst hinterher erfuhren, dialektisch erweitert und
überschritten.«)
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Der Kommentar fungiert somit als ein zeitweiliger Kontrapunkt zu den Bildern: »Dans
cette première partie [. . . ], le commentaire aura pour fonction de mettre en valeur ce qui
manque à l’image, qui est incomplet ou inexact dans l’information que donne
l’image.«369
Ebda. (»In diesem ersten Teil [der Serie] wird der Kommentar die Aufgabe haben, das zur
Geltung zu bringen, was dem Bild fehlt, was an visueller Information unvollständig oder
ungenau ist.«)
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Die verwendete Musik Es soll an dieser Stelle kein Überblick über die verschiedenen
Musikrichtungen Indiens erfolgen; es werden lediglich einige Beispiele aus dem
Dokumentarmaterial ausgewählt, um zu zeigen, welche Musik Malle verwendet.
Josef Kuckertz unterteilt die indische Musikkultur in vier Schichten, der Marga-samgita
(Musik nach alten geheiligten Regeln), der Desi-samgita (Klassische Kunstmusik), der
Loka-samgita (Musik der kleineren Bezirke/Volksmusik) und der Musik der
Stämme.370
Vgl. Kuckertz, Josef: Musik in Asien; 1, Indien und der vordere Orient für die Sekundar-
und Studienstufe (Musik aktuell: Analysen, Beispiele, Kommentare, hrsg. und mit einem
didaktischen Kommentar versehen von Helmut Segler). Kassel: Bärenreiter 1981, S. 18
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Leider gibt Malle selten Auskunft darüber, welche Musik gerade
erklingt. In einigen Fällen ist dieses durch das Bild zu erklären; in den
Fällen, in
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