gleichbleibenden musikalischen Hintergrund zu ermöglichen. Hierbei macht er
sich spezifische Eigenschaften von einigen Arten indischer Musik zu Nutze: die
hypnotisierende, tranceähnliche Wirkung, die durch den sich nicht verändernden Duktus
und die sich in ähnlichen Registern abspielende Dynamik bedingt ist. Gerade das
im Vorspann montierte Stück verdeutlicht dieses: Über einem Orgelpunkt (d)
erklingt die Melodie, die nicht variiert wird. Einzig die Perkussion bewirkt durch
verschiedene Schlagpatterns dynamische Änderungen, wobei der Grundduktus des
Stückes jedoch unberührt bleibt. Diese musikalischen Qualitäten begünstigen
das Entstehen einer gleichmäßigen Fläche und machen den Filmbetrachter
möglicherweise ›empfänglich‹ für die vom Regisseur im Off-Kommentar zu vermittelnde
Botschaft. Gleichzeitig wird auf diese Weise der Inhalt des Off-Kommentars
stärker auf die Bilder projiziert, als dieses mit zusätzlichen Geräuschen möglich
wäre.
Es wurde im vorherigen Kapitel der Begriff ›Ehrlichkeit‹ in Bezug auf den Stil und die Ästhetik eines Dokumentarfilmes erwähnt und festgestellt, dass Malle durch seinen bescheidenen Anspruch und seine unverhohlene Subjektivität diese Qualität auf der Bild- und Konzeptionsebene der Filme einlöst. Die Verwendung des Filmklangs bestätigt diesen Aspekt. Wie bereits angedeutet, wurden ausschließlich Originalgeräusche und –musik verwendet, was zu einem hohen Grad an Authentizität führt. Bis auf einzelne Stellen (s. o.) findet keine Manipulierung des Synchrontons statt; eine mitunter spartanisch-karg anmutende Ästhetik, die vermutlich andere Regisseure nicht verfolgt hätten, verleiten doch die eindrucksvollen Bilder indischer Landschaften und Personendarstellungen zu großer musikalischer Geste. Dies hätte zu einer Verschiebung zugunsten der inneren Realität und zu einem Verlust der Authentizität geführt. Dieser Aspekt wird auch im Cahiers-Interview angesprochen:
Cahiers: »Une chose est frappante: c’est que vous vous êtes parfois imposé de tourner synchrone des scènes que beaucoup de cinéastes se seraient contentés de tourner muettes avec de l’ambiance.« Malle: »Même quand il ne se ›passe‹ rien dans le son, c’est intéressant de l’avoir synchrone, c’est très important.«357
Dieser Interviewausschnitt belegt die Sensibilität und die Sorgfalt, mit der Malle ›sein‹ Indien auch akustisch präsentiert, ein Aspekt, der sich im späteren Werk vor allem bei Atlantic City, U.S.A. fortsetzt, ein Film, bei dem Malle davon besessen war, an möglichst vielen Stellen die Stadt auf akustische Weise authentisch wiederzugeben.358
Eine ähnliche Funktion erfüllt der Filmklang in Calcutta. Louis Malle streicht vor allem die Wichtigkeit des Tons in Indien im Gegensatz zu dem der westlichen Welt hervor:
»Sans le son direct, le film aurait été beaucoup moins efficace, beaucoup moins déroutant aussi. Surtout en Inde où le son, pour des raisons de civilisation,
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