die
Menge eintaucht (repräsentiert durch die verschiedenen Gesichter) und auf
der Tonebene den indischen Klängen direkt ›ausgeliefert‹ ist. Parallelen zu
Traumsequenzen werden deutlich: Da keine Geräusche montiert sind, bleibt die Musik
der einzige akustische Anhaltspunkt, der die Aufmerksamkeit auf die Gesichter lenkt.
Es sei eine Stelle aus Louis Malles Tagebuch der Reise zitiert, in der er einen
tranceartigen Zustand bei einem Tempelfest in Madras beschreibt. Das beschriebene
Gefühl kann in Ansätzen auf die intendierte Wirkung des Vorspanns übertragen
werden:
»[...] nous sommes entrés dans la foule, tournant bobine après bobine, bousculés avec eux, arrosés avec eux, heureux avec eux. Un moment j’ai cru oublier qui j’étais: je faisais partie d’autre chose, je m’y intégrais, je m’y perdais corps et âme.«355
Malle überträgt somit durch die Musik und die Klanggestaltung seine innere Realität auf den Zuschauer; er lässt diesen an seinen Gefühlen teilnehmen. L’Inde fantôme(I) La caméra impossible (0:28:24–0:31:08)In diesem zweiten Beispiel umspannt die gleiche Musik drei verschiedene Segmente. Sie beginnt bei einer Hochzeit. Es ist nicht zu klären, ob die Musik dem Bild entstammt und die feierlichen Hochzeitsrituale begleitet oder ob sie extern montiert ist. Wie bereits im Vorspann sind auch hier die Geräusche ausgeblendet. Die Musik wird im nächsten Segment fortgesetzt, in welchem Louis Malle ein Pärchen in Bombay zeigt, das miteinander flirtet; laut Off-Kommentar des Regisseurs war es das einzige Mal, dass er eine derartige Szene gesehen hat. Es folgt im Off-Kommentar eine allgemeine Reflexion über die Liebe und Partnerschaft in Indien, während ein neues Segment beginnt, in welchem Frauen und Mädchen über eine Mauer klettern, ein Vorgang, der nicht näher erklärt wird. Während all dieser Szenen bleibt die Musik bestehen. Abgesehen davon, dass die Aufnahmen zu verschiedenen Zeitpunkten und an verschiedenen Orten entstanden sind, bleibt auch die Hörperspektive, nach Michel Chions Terminologie der point d’écoute,356
Auch an einigen weiteren Stellen verfolgt Malle dasselbe Prinzip: Er eliminiert die Geräusche, um eine Fusion des Off-Kommentars mit den Bildern vor einem |