- 136 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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Auf die Stücke Memories, Lutecia Hotel und Fatal Exit muss an dieser Stelle nicht gesondert eingegangen werden. Sie nehmen direkt Bezug auf die Handlung und färben die jeweilige Szene atmosphärisch ein.

  Fazit

Die exemplarischen Analysen einzelner Musikstücke haben gezeigt, dass die Musik im Film Damage vorrangig die innere Handlung der bzw. vor allem des Protagonisten Stephen Fleming ausdrückt. Damit fungiert sie als konkrete Illustration der psychischen Befindlichkeit der Personen. Diese Befindlichkeit pendelt in den meisten Fällen zwischen Sehnsucht und Verlangen (Stephen, Brussels-Paris), schmerzlicher Erinnerung (Memory), sexueller Extase (In the Beginning) und Panik (Fatal Exit). Dabei färbt die Musik gleichzeitig die jeweilige Szene atmosphärisch ein. Sowohl vom Aufbau der Handlung, als auch von dieser musikalischen Funktion ähnelt der Film Alamo Bay, für den Malle aufgrund des filmischen Aufbaus ebenfalls eine durchgehende Partitur komponieren ließ.

Auf eine musikalische Illustration eines »bestimmten Zustand[s] der Gesellschaft, zu einem ganz bestimmten historischen Zeitpunkt«317

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Malle in French (1998), S. 269
(England zu Beginn der 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts) – ein dokumentarästhetisches Prinzip, das in anderen Filmen eine wichtige Rolle spielte318
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Vgl. Le Souffle au coeur, Lacombe Lucien, Pretty Baby, Atlantic City, U.S.A., Alamo Bay
und welches Malle visuell auch in Damage erstellt – verzichtet der Regisseur fast vollständig.319
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Einzig an zwei Stellen lassen sich Verweise auf die zeitgenössische Rezeption von Musik feststellen: In Segment 62 hört Sallys pubertierender Freund Techno-Rhythmen mit seinem Walkman (in der Musikdramaturgie-Tabelle nicht vermerkt), während Sally Gameboy spielt; in Segment 67 unterhält sich Stephen mit seiner Tochter und deren Freund über Bob Marley – offensichtlich ein Verweis auf Sallys musikalische Präferenz und die aufkommende Renaissance der Reggae-Musik zu Beginn der 90er-Jahre.
Vielmehr konstruiert er eine Musikdramaturgie, die bewusst die dargestellte Realität durch ihre starke emotive Expressivität kontrastiert.

Malle liefert mit seinem Film ein Sitten- und Gesellschaftsbild des englischen Bürgertums. Bereits in den ersten Einstellungen, die Stephen beim Premierminister, im Kreise seiner Familie und auf einem offiziellen Empfang zeigen, manifestiert sich eine Atmosphäre, die dem Klischee des typisch Englischen entspricht, was sich sowohl im Dekor, in der Architektur als aber auch im Verhalten der Menschen wiederfinden lässt. Im Verlaufe des Films treten an mehreren Stellen die Spießigkeit, die Etikette und vor allem die emotionale Kälte der Personen im alltäglichen Umgang miteinander zum Vorschein. Man beachte vor allem das steife Verhältnis von Stephen zu seinem Sohn oder den fast entschuldigenden Kommentar Annas, sie habe auch ›schon mal als Kellnerin gearbeitet‹, was vom Großvater mit gütigem Lächeln als Jugendsünde verziehen wird. In diese Welt der geordneten, sauberen (Arbeits-)Verhältnisse (nicht zufällig zeigt Malle sowohl Anna als auch Stephen zu einem Großteil bei der Arbeit) platzt die zerstörerische Kraft der Leidenschaft, welche neben den Beischlafszenen und der allgegenwärtigen erotischen Spannung zwischen den Protagonisten vor allem durch die Musik ausgedrückt wird:


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