»Dans Fatale par exemple, l’utilisation de la musique, que d’aucuns considèrent
comme envahissante, renvoie justement à ce flux d’affects qui s’exacerbent
sur fond d’aseptisation généralisée. C’est le contenu romanesque du film qui
justifie in fine son intervention effectivement abusive; à l’image du sentiment
mis en scène. Cohérence donc.«320
Vgl. De Bruyn, Olivier: »Fatale. Honni soit qui mal y pense!«. In: Positif 382
(12/92), S. 48 f., hier S. 48 (»Im Film Verhängnis beispielsweise verweist der
Gebrauch der Musik, der häufig als aufdringlich angesehen wird, auf die Flut von
Gefühlen, die sich vor dem Hintergrund der verallgemeinernden Sterilisierung
verschärft. Letztendlich legitimiert der schwärmerische, leidenschaftliche Inhalt
des Films die missbräuchliche Anwendung der Musik, sie wird auf die
dargestellten Gefühle bezogen. Folglich herrscht ein logischer Zusammenhang.«
|
Die Musik erfüllt somit auch an Stellen, in denen nicht die Leidenschaft visuell gezeigt
wird, eine kontinuierlich eingesetzte Erinnerungsfunktion für den Filmbetrachter. Diesem
sind somit nahezu ständig die Gedanken des Protagonisten präsent, der sich in der
Konferenz in Brüssel beispielsweise langweilt, während das Stück Brussels-Paris
erklingt, und er somit an Anna denkt. In den Takes 1 und 2 wirkt die Musik wie ein
lauerndes Signal, das auf die (noch) geordnete Welt des Stephen Fleming bereits einen
dunklen akustischen Schatten wirft.
Zbigniew Preisner erreicht diese Wirkungen durch eine fast durchgehend in moll
gehaltene Tonsprache, die durch den einheitlich tragisch-melancholischen Gestus eine
hohe atmosphärische Geschlossenheit erreicht. Wolfgang Thiel spricht in seinem Artikel
über die Partitur der Trilogie Trois Couleurs: Bleu/Blanc/Rouge von Tonfolgen, »die
einerseits den Schein des Bekannten haben und andererseits den Charme der Authentizität
besitzen.«321
Thiel, Wolfgang: »Der Charme der Authentizität. Annäherungen an Zbigniew Preisners ›Drei
Farben‹-Partitur«. In: Film-Dienst 1 (3. 1. 1995), S. 36–37, hier S. 36
|
Diese Wertung kann in Ansätzen auch auf die ein Jahr zuvor entstandene Musik für den
Film Damage übernommen werden. Die Melodien, die Preisner in erster Linie
kammermusikalisch bzw. solistisch einsetzt (große orchestrale Wirkungen werden
weitestgehend vermieden), sind in der Tat von einer Vertrautheit und Eingängigkeit,
aber auch von einer eigenen Stimmungslage gekennzeichnet, die auf eine Verbindung mit
slawisch-osteuropäischen Tonsprachen hinweist. Dieser Aspekt bezieht sich weniger auf
die Harmonik, die in den meisten Stücken der Diatonik verpflichtet bleibt, als vielmehr
auf die Melodik und die Instrumentierung, die bevorzugt Soloklarinette und Solocello
einsetzt. Gerade in den Stücken Introduction (End Title) und Stephen bewirken
diese Instrumente durch die Assoziation von Einsamkeit und Verlorensein die
melancholische Einfärbung der jeweiligen Szenen. »Natürlich ist Preisner nicht frei
von Selbstzitaten und Vorlieben für bestimmte Klangeffekte. Etwa die von
Pausen bedeutungsträchtig unterbrochenen Klarinetten- oder Oboen-Rezitative,
die Suggestivität eines anschwellenden, chorisch besetzten hohen Geigentons
[. . . ].«322
Auch mit dem Inhalt dieses Zitats gibt es Übereinstimmungen mit der früheren
Partitur. Neben dem hohen Streicherton, der als Signal wirkt (vgl. Takes 6, 15, 16, 31),
arbeitet Preisner mit teilweise klischeehaften Mitteln wie der Sexte, die an vielen Stellen
sukzessiv oder simultan erklingt: sei es als Tristan-Motivausschnitt (in Originaltonart!)
in der Introduction, als schmierende Streicherfigur in (Lutecia Hotel) oder als
Klavierpassage mit voller Orchesterbegleitung à la Brahms (Da-
|