- 57 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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zu strukturieren. Stockhausen hat einmal von einer Art Ideogrammsprache geschwärmt, in der die verschiedenen Strukturkomponenten typographisch wiedergegeben sind, ohne direkten Hinweis auf das Medium ihrer Ausführung, so daß in solchen Ideogrammen geschriebene Strukturen in beliebigen künstlerischen Medien interpretiert werden können. Ich erinnere mich bei dieser Gelegenheit an die Geschichte von Pierre Boulez, der, als ihm Josef Anton Riedl im Münchener Siemens-Studio die Lochstreifenapparate vorführte, fragte, ob man die Lochstreifen auch vertauschen könne. Was geschehe, wenn man den Tonstreifen als Zeitinformation abtasten würde oder umgekehrt. Solche Fragen drängen sich auf, sobald man mit Apparaten arbeitet, die eher technisch als musikalisch definiert sind. Sie erlauben Fragestellungen, die mit einem Orchester nicht behandelt werden können.



Interpretation als Teil der Partitursynthese


Zurück zu PR 1. Die vom Programm erzeugten Parameterdaten formen Gruppen, Zyklen, dies eher, als daß sie spezifische, parametergebundene Information enthielten. Sie sind also in gewissen Grenzen austauschbar und für Interpretation offen. Die Partitur enthält Symbole, denen das Programm einen Parameter zugeordnet hat. (Anders gesagt: das Programm erzeugt für jeden Parameter Symbole, meist in Form von Zahlenwerten, die in Gruppen gleicher oder verschiedener Elemente zusammengefaßt sind.) Der Komponist hält sich an die vom Programm vorgegebene Parameterinterpretation oder ändert sie; er verhält sich dabei so konsistent, wie es ihm beliebt.

Die Parameterwerte sind nach einem vom seriellen Verfahren abgeleiteten System organisiert. Ich kann das hier im einzelnen nicht erläutern. Jedenfalls gibt es eine Vorordnung, die dafür sorgt, daß die Daten in kleineren und größeren Formteilen aufeinander bezogen sind und sich im Sinne der seriellen Ästhetik (und wohl nicht nur in dieser) musiksprachlich interpretieren lassen. Die Vertauschbarkeit der Parameter hat allerdings ihre Grenzen. Harmonik und Rhythmik lassen sie nicht zu, dafür geht es z.B. mit Instrumenten und Lautstärken. Im Utrechter Studio hatten wir einmal einen kanadischen Komponisten, der das Programm derartig umfunktionierte, daß die erzeugten Daten in Echtzeit zur Steuerung der Studioapparatur verwendet werden konnten; der Computer spielte - mit Hilfe von PR 1 - gewissermaßen auf den Studiogeräten. Da hierbei nur die zahlenmäßige Information, ohne Bezug auf bestimmte Parameter und ihre historischen Implikationen, übrigblieb, konnten die Parameter willkürlich an Generatoren, Modulatoren, Filter, Hallräume und dergleichen angeschlossen und auch vertauscht werden. Die Resultate dieser Experimente, obwohl in einem ganz andersartigen Medium zum Klingen gebracht, konnten ihre Herkunft aus der PR 1-Küche nicht verleugnen. Sie klangen sehr amüsant; ich glaube, das Tonband ist verlorengegangen. Ein anderes Beispiel für Parameterübertragung hat Peggy


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