- 55 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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tisch außer Kraft setzt und das Programm überflüssig macht, denn er tippt ja ein, was herauskommen soll, aber dennoch nicht herauskommt, weil das Programm dafür nicht gemacht ist. Der Witz des Programms liegt ja darin, daß es musikalisches Wissen enthält und selbständig anwenden kann.

In umgekehrter Richtung kann man aber auch die Eingabedaten vage halten, d.h. dem Zufallsgenerator mehr Einfluß einräumen, als die Standarddaten das tun, und dadurch die in den Standarddaten etablierten, strengen Beziehungen sozusagen aufweichen. Unter diesen Umständen wird es schwieriger, den Charakter der komponierten Resultate vorherzusagen. Auch hiermit setzt man den Mechanismus des Programms gewissermaßen außer Kraft, weil die formalen Beziehungen der Eingabedaten von der Willkür der Zufallssteuerung überrannt werden.

Zur besseren Orientierung in dieser Situation, d.h. um das Verhältnis der beiden Grenzüberschreitungen in den Griff zu bekommen, schließlich auch als Orientierungshilfe für andere - Studenten zum Beispiel -, die mit dem Programm arbeiten wollen, habe ich mir eine Art von musikalischer Landschaft ausgedacht, die mit dem Programm beschrieben werden und in der ich mit Hilfe des Programmes umhergehen kann. Ich deute sie mit einem Kreis an, der alles enthält, was mit dem Programm überhaupt komponiert werden kann. Im Zentrum kann man sich den Komponisten vorstellen, dessen Einfluß nach außen zu abnimmt; der Umkreis symbolisiert den Zufall. Mit konzentrischen Innenkreisen teile ich Außenbezirke, ein Mittelfeld und ein Zentrum ab. Im Zentrum ist der Einfluß des Zufalls am geringsten, man befindet sich also am dichtesten bei dem, was der Komponist ohne das Programm sich vorstellen könnte.

Es wäre das Stück, das - wie gerade erwähnt - der Komponist gewissermaßen gegen das Programm komponieren würde. Ganz außen werden die Stücke angesiedelt, die sehr stark vom Zufall bestimmt werden und sich dadurch dem Einfluß des Komponisten weitgehend (soweit das Programm das zuläßt) entziehen. Die Mitte ist denjenigen Stücken vorbehalten, die den ursprünglichen Gedanken von Projekt 1, seine Intention, am deutlichsten zum Ausdruck bringen. In diesem Bereich braucht der Komponist die Eingabedaten kaum zu verändern, weil ihr Zusammenhang hier am stärksten ausgebildet, am wenigsten gehindert ist.

Dieses Bild einer Landschaft ist durch den tatsächlichen Sachverhalt zu ergänzen. Die zeitliche Folge der Parameterdaten in PR 1 ist durch die Extreme der Regelmäßigkeit und Unregelmäßigkeit charakterisiert,

 die durch mehrere Zwischenstufen vermittelt werden. Im Zentrum liegen alle Strukturen, in denen die

 Daten aller Parameter extrem regelmäßig (also vorhersehbar) sind, für den Außenbezirk gilt das

genaue Gegenteil. Die Standarddaten erzeugen Strukturen, die im Mittelfeld liegen.


Ich habe mir nun einen Schlängelweg ausgedacht, der sich zwischen den Extremen hin und her bewegt und dabei alle drei Zonen berührt. Tatsächlich sind es mehrere Wege, je einer für einen anderen Parameter. Sie sollen die Fläche des Programm-Potentials einigermaßen abdecken und es mit Hilfe einer ganzen Reihe von Kompositionen erfahrbar machen. Die Wege verlaufen im Uhrzeigersinn; die Daten eines voll-


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