Komponisten auf die starren Spektren der herkömmlichen Instrumente angewiesen waren und nicht Klangfarben selber auskonstruieren konnten.
Somit stünde, was unsere Mutmaßungen betrifft, alles zum besten, wenn nicht Kurt Weill schon 1925 öffentlich über die "Möglichkeiten absoluter Radiokunst" nachgesonnen und dabei Eigenarten sowohl der Elektronischen Musik als auch der "Musique concrète" erstaunlich präzise vorausgeschaut hätte. Ich zitiere:
Nun können wir uns sehr gut vorstellen, daß zu den Tönen und Rhythmen der Musik neue Klänge hinzutreten würden, Klänge aus anderen Sphären: Rufe menschlicher und tierischer Stimmen, Naturstimmen, Rauschen von Winden, Wasser, Bäumen, und dann ein Heer neuer, unerhörter Geräusche, die das Mikrophon auf künstlichem Wege erzeugen könnte, wenn Klangwellen erhöht und vertieft, übereinandergeschichtet oder ineinander verwoben, verweht oder neugeboren werden würden. Kurt Weill, Möglichkeiten absoluter Radiokunst, in: Der deutsche Rundfunk, 28. Juni 1925, zit. nach David Drew (Hrsg.), Kurt Weill. Ausgewählte Schriften, Frankfurt/Main 1975, S.127
Ein visionärer Text, kein Zweifel; als solcher wird er nach wie vor von vielen Musikern denn auch verstanden, zusammengesehen etwa mit Busonis Utopie von 1907 und abgetan mit der Feststellung, es habe ja dann auch noch ein Vierteljahrhundert gedauert, bis das, was Weill vorausahnte, Wirklichkeit werden konnte. Nur daß das leider nicht zutrifft. Kurt Weills Tagträume sind, zumindest partiell, bereits nach wenigen Jahren verwirklicht worden. Hier der Anfang des Hörspiels Weekend von Walter Ruttmann, realisiert 1929 für die Reichs-Rundfunk-Gesellschaft Berlin.
TONBEISPIEL 2 Walter Ruttmann (Prod. RRG 1929) Weekend, Anfang bis Generalpause nach Automotor - 3'30 Vgl. Musikbeispiel auf beiliegender CD, dort vollständige Wiedergabe von Weekend
In der Online-Fassung des Buchs wird Weekend ebenfalls vollständig als RealAudio-Datei abgespielt.
Weekend von Walter Ruttmann, ein Hörwerk, das nicht nur streckenweise wie "Musique concrète" klingt, sondern sich dort auch bis ins Detail nach Schaeffers Theorie des objet musical analysieren ließe, mag dafür einstehen, daß unser Entwicklungsmodell vielleicht doch nicht so ohne weiteres auf den Komplex Tonträger/Radio übertragen werden kann. Nun haben wir ja auch den Komplex Film/Fernsehen nur bis dahin verfolgt, wo Filmtechnik und Fernsehvertrieb als Produktionsmittel einem profilierten Komponisten der Avantgarde die Möglichkeit gaben, seine Vorstellungen von musikalischem |