- 333 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
  Erste Seite (3) Vorherige Seite (332)Nächste Seite (334) Letzte Seite (381)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 


als Lernender gegenübersteht?), Didaktik (Wie ist der Stoff umzuformen, damit er lehrbar wird?) und Methodik (Welche Wege gehe ich dabei?) erfordern ganz eigene vielfältige Strategien, die sich kaum sinnvoll mit einem Computerprogramm automatisieren lassen.

Bei aller Fachkompetenz, die hinter den Informationsteilen eines solchen Tutorials und der ausgeklügelten Benutzerführung steht, wirft eine solche Programmkonzeption auch Fragen auf:


     -     Lesetexte: Man fragt sich, warum man die historischen Hintergrundtexte eigentlich am           Bildschirm lesen, mit einem Mausklick also das bereits Gelesene unsichtbar machen           soll, um an den nächsten Absatz heranzukommen.

     -     Benutzerführung: Der Benutzer wird einer Aufgabenauswahl unterworfen, deren Logik           ihm nicht offenbar wird: warum stehen am Anfang der Übung nur drei Rhythmen zur           Auswahl, und warum gerade diese drei? Wann sind die nächsten verfügbar, und warum           diese? Natürlich ist das vom Programmautor ausgeklügelt und orientiert sich an der           Richtigkeit der bisherigen Antworten. Ich halte es aber z.B. im meinem Unterricht           immer so, daß ich Schüler und Studenten über die Grundlagen meines gerade           eingeschlagenen methodischen Schritts informiere und den Grund mitteile, warum ich           jetzt diese oder jene Übung für passend halte. Es ist ja gerade für ein Fach wie die           Gehörbildung, in dem Selbst- und Partnerstudium problematischer ist als im           Instrumentalunterricht oder in reinen kognitiven Lernfächern, wichtig, daß der Lernende           sich zu jedem Zeitpunkt seiner Höreinstellung, seiner Fehlertypen oder seiner           momentanen Fähigkeit der Superzeichenbildung bewußt ist.

     -     Reduktion der Lerninhalte auf knappe, typisierende Muster: Die Bossa Nova (im           "klingenden Lexikon") ist nicht gleich Girl from Ipanema, auch wenn das Stück ein           typisches Beispiel dafür ist. Und eine quantisierte Ausgabe eines MIDI-Samples           vermittelt auch nicht gerade das typische rhythmische Feeling einer lateinamerikanischen           Tanzes. Überhaupt ist ein Phänomen des computerunterstützen Rhythmuslernens die           Körperferne: alles geschieht über Kopf und Bildschirm.

     -     Ansprache des Benutzers: Ein Sprachstil, der mit lockeren Sprüchen, ermunternden           Bemerkungen und Ausdrücken des Bedauerns bei Fehlern, mit Bildchen und kleinen           Animationen arbeitet, soll die Arbeitsatmosphäre auflockern, soll motivieren, den           Lernenden also vergessen machen, daß er vor einer Rechenmaschine sitzt. Ob ein           solcher oder ein eher knapper und sachlicher Stil in der Kommunikation mit dem           Benutzer sinnvoll ist, hängt vom Benutzerkreis und wohl auch von der Intensität der           Benutzung ab. Ein Jugendlicher, der es aus dem Fernsehen gewohnt ist, Information in           kleinen Häppchen und in lockere Unterhaltung verpackt serviert zu bekommen           ("Infotainment"), wird sich hier zuhause fühlen, während bei längerem konzentrierten           Arbeiten die simulierten menschlichen Regungen des Programms eher als überflüssig           empfunden werden dürften.


Erste Seite (3) Vorherige Seite (332)Nächste Seite (334) Letzte Seite (381)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 333 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II