- 321 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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Kritische Einschätzung des pädagogischen Ertrages


Die Schüler sind bei der Entwicklung ihrer Ideen primär vom Hören ausgegangen - sie verändern z.B. Instrumentation und zeitliche Position einer Spur, hören dann die so veränderte Spur ab und entscheiden, ob die Veränderung erst mal "stehen" bleiben soll oder nicht. Oder sie bearbeiten analog zu den Maßnahmen von Zacher die Zeitwerte einzelner Noten und lassen sich von den dadurch entstehenden Zusammenklängen überraschen. Es ist klar, daß in vielen Fällen die Resultate auf diese Weise, vor allem, wenn sich die Veränderungen an verschiedenen Spuren ergänzen und überlagern, ziemlich zufällig zustande kommen.

Wir haben daher nach einiger Zeit der praktischen Arbeit der Schüler an dem Fugenmaterial den Eindruck gewonnen, daß die Schüler überfordert waren, ihre "Maßnahmen" am Notenmaterial selbst aus einer musikalischen bzw. strukturellen Idee oder Vorgabe zu entwickeln. Sie haben sich vielmehr von spielerisch gefundenen Ideen leiten lassen und - zugespitzt formuliert -  dabei diese Ideen aus der Auswahl von Manipulationsmöglichkeiten entwickelt, die durch die Programmroutinen angeboten werden. Daß dabei gleichwohl brauchbare musikalische Ergebnisse zu erzielen sind, liegt daran, daß das Bach-Material aufgrund seiner harmonischen und kontrapunktischen Struktur von sich aus bereits ausgesprochen "collage-tolerant" ist.     

So wäre etwa die collagenartige Bearbeitung von Beethoven-Material als Adaption der Verfahren von Stockhausen und Kagel (opus 1970 & Ludwig van) leichter auf unterschiedliche "dramaturgi-sche" Abschnitte hin zu strukturieren (also auf Spannungsbögen, Crescendo-Abschnitte, unterschiedliche Klangdichten im Arrangement etc.).


Ich will nicht verhehlen, daß wir - jedenfalls ich selbst - uns von den Schülern mehr erwartet hatten, daß sie nämlich bei der Strukturierung ihres Arbeitsprozesses das zu komponierende Material in den Mittelpunkt stellen und die verfügbaren Verfahren des Programms den intendierten musikalischen Zwecken unterordnen würden, nicht aber, daß sie sich - wie geschehen - auf das experimentelle Umgehen mit den Verfahren konzentrieren und die Auswirkungen auf das Material und das hörbare Ergebnis eher als zufällig gefundenes Ergebnis hinnehmen würden.

Nun bedeutet dieser kritische Befund aber nicht umstandslos, daß die Frage, inwieweit sich Verfahren des computergestützten Umgangs mit Populärer Musik didaktisch-methodisch nutzbar machen lassen für die kompositorische Arbeit mit kunstmusikalischem Material, negativ beantwortet werden müßte. Denn zu einem gehörigen Teil haben auch wir selbst bei der Planung mit der Entscheidung für einen Einstieg über die praktische Erkundung der Programmfeatures die Schüler auf diesen experimentellen Weg gebracht - es wäre ja auch ein anderer Weg denkbar gewesen, der die Schüler zunächst mit dem Entwerfen von kompositorischen Ideen konfrontiert und sie erst dann nach den praktischen Umsetzungsmöglichkeiten mit Hilfe des Programms suchen läßt.


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