- 31 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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Winter 1929/30


Arnold Schönberg komponiert seine Begleitmusik zu einer Lichtspielszene. Der Bezug auf den Film, spezifischer: auf die musikalische Begleitpraxis, wie sie sich im Stummfilm weltweit herausgebildet hatte, erschöpft sich nicht im Titel: die drei Affekte (oder affektbestimmenden Situationen), die Schönberg illustriert, "Drohende Gefahr. Angst. Katastrophe", könnten dem Stichwort-Register zeitgenössischer Kinotheken entnommen sein; die Mittel, die er zur Illustration zuzieht, sind den Requisiten, mit denen die Kinothekstücke arbeiten, nicht unähnlich: tiefes Register und stockende Bewegung gleich zu Beginn; die Klanglichkeit gemahnt (wiederum besonders anfangs) an den aus den Lichtspieltheatern vertrauten Sound großer Salonorchester.

In zwei Punkten freilich entfernt sich Schönberg dezidiert vom Stummfilmmodell: er weist nicht jedem Affekt ein in sich geschlossenes Charakterstück zu, sondern spannt die drei Affekte unter einen sinfonisch sich entwickelnden Bogen, und er bedient sich einer Tonsprache, die nicht aufs 19. Jahrhundert rekurriert, sondern beim Expressionismus ansetzt. Von Heinrich Strobel 1931 daraufhin befragt, wie er sich angesichts solcher Eigenmächtigkeiten denn die doch wohl intendierte praktische Verwendung seiner Begleitmusik gedacht habe, gibt Schönberg zu Protokoll:


Wenn ich an Lichtspiele denke, so denke ich an zukünftige, die notwendigerweise künstlerisch werden sein müssen. Und zu denen wird meine Musik passen!     

Protokoll der Diskussion Arnold Schönberg-Heinrich Strobel, Eberhard Preussner, RRG Berlin,

30. März 1931, in: Programmheft Tage für Neue Musik, Stuttgart 1986, S. 11


Sie paßte, wie wir wissen, auch "zu denen" nicht und machte dafür Karriere im Konzertsaal.



Tonalität und Tonfilm


Nach dem Zusammenbruch der Tonalität erfreuten sich handlungsorientierte Sparten wie Ballett und Oper bei den Komponisten vorübergehend besonderer Beliebtheit. Das ist kein Zufall. Etwas verkürzt gesagt: Der Zusammenbruch der Tonalität hatte Probleme nicht bloß vokabularer und syntaktischer Natur geschaffen, sondern auch und vor allem in formaler Hinsicht. Ballett und Oper nun versorgten die Komponisten mit außermusikalisch vorstrukturierten Abläufen, gestatteten ihnen so, die Beschäftigung mit den formalen Problemen fürs erste hintanzustellen und den vorgegebenen Abläufen entlang sich primär um den Ausbau von Vokabular und Syntax zu kümmern.


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