- 30 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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dergleichen gab es im zeitgenössischen Film noch nicht, findet sich ähnlich aber in anderen frühexpressionistischen Theaterexperimenten.



Juni 1929


Alban Berg erwähnt in einem Brief an den Verleger Alfred Kalmus ein Filmprojekt, meint jedoch, es habe damit keine Eile. Warum? Zitat:


Ich fühle nämlich deutlich, daß diese Tonfilm-Idee auch für meine "Lulu", und wahrscheinlich schon in der ganzen musikalischen Konzeption, von ausschlaggebender Bedeutung sein wird.

Alban Berg an Alfred Kalmus, 26. Juni 1929, in: Volker Scherliess,

Alban Berg, Reinbek 1975, S. 121


Was dabei schließlich herauskam, oder vielmehr nicht herauskam, wissen wir: Berg verfiel auf den Gedanken, die Nahtstelle zwischen den beiden Wedekindschen Textvorlagen mit einem Film zu überbrücken, genauer: in einem Stummfilm zu zeigen, was Lulu zwischen Verhaftung und Befreiung, Ende von Erdgeist und Anfang der Büchse der Pandora, zugestoßen war. Neun Stationen, konkretisiert in 24 Bildmotiven, sah er dafür bereits im Libretto vor und ordnete sie sinngemäß zentralsymmetrisch an, als Palindrom; bloß daß er dann die zugehörige Musik, das seinerseits zentralsymmetrisch angelegte und noch 1934 explizit als "Filmmusik" ausgewiesene Ostinato, viel zu sehr komprimierte: in den dreieinhalb Minuten, die dieses Ostinato dauert, filmisch umzusetzen, was Berg vorschwebte, ist platterdings nicht möglich.

Gleichwohl verdient das Beispiel in unserem Kontext Beachtung: als der wohl prominenteste unter den frühen Versuchen, Film als Medium dramaturgisch einzubinden ins Musiktheater oder umgekehrt: das tendenziell polymediale Musikdrama durch Einbeziehung des Mediums Film manifest zu öffnen.


Daß auf der Ebene der Inszenierung die Verbindung von Film und Theater heute öfter praktiziert wird, brauche ich nicht zu unterstreichen; bereits Schönberg erwog Scherchen gegenüber 1950, dem Tanz um das Goldene Kalb aus Moses und Aron "movie-mäßig", wie er sich fast schon neudeutsch ausdrückte, auf die (Bocks)Sprünge zu helfen

Arnold Schönberg an Hermann Scherchen, undatiert [Januar 1950], unveröffentlicht;


laut Jirí Fukac reicht diesbezüglich die Spur zurück in die Hamburger Operette des Jahres 1911      

Jirí Fukac, Bohuslav Martinù und seine Auseinandersetzung mit dem

Medium Film, Vortrags-Manuskript Wien, Oktober 1991.


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