- 299 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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     Man kann - verallgemeinernd - sagen, daß sich die Neuorientierung für die           überwiegende Zahl der Volksschüler in der Schulpraxis nicht realisiert hat. Die      technischen Voraussetzungen hatten sich inzwischen zwar erheblich verbessert      (es gab ein ausreichendes Repertoire für elektrisch verstärkte Plattenspieler und      es gab zahlreiche Versuche, das neue Medium Rundfunk für den Unterricht      nutzbar zu machen), aber es fehlte nach wie vor an Lehrern, die bereit und in      der Lage gewesen wären, das Ziel der neuen Lehrpläne in die Praxis      umzusetzen. Im übrigen bewegten sich die behördlichen Anweisungen eher auf      der Ebene der Duldung.

     So heißt es 1927 in einem Erlaß des preußischen Ministers für Wissenschaft,      Kunst und Volksbildung ("Zur Belebung des MUs in Volks-, Mittel- und      höheren Schulen durch Grammophonvorführungen"): In letzter Zeit wird      vielfach der Versuch unternommen, den Musikunterricht durch      Grammophonvorführungen zu beleben. An sich erscheint mir die      Verwendung des Grammophons zu diesem Zweck durchaus geeignet.

     Gegen Ende der 20er Jahre war ein Zustand erreicht, der im wesentlichen bis in      die Zeit der 60er Jahre anhielt. Die Volksschule blieb eine "singende Schule".

4.     Natürlich fehlte es nicht an einem philosophisch-pädagogischen Überbau, mit dem      (Volksschul-)Lehrer ihre Selbstbeschränkung rechtfertigen konnten: Die in      unterschiedlichen Varianten vorliegende Idee einer "musischen Erziehung/Bil-dung"      deckte sich - wenigstens teilweise - mit dem Denken weiter Kreise der Jugend- und      Jugendmusikbewegung. Sie war durchgehend zivilisationsfeindlich, versuchte die      gesellschaftliche Wirklichkeit durch eine irrationale Gemeinschaftsidee zu überwinden      und ersetzte fachliche Ansprüche durch einen diffusen musikpädagogischen Idealismus,      dem die Musik selbst oft genug aus dem Blick oder zum austauschbaren Vehikel für      "höhere" Ziele geriet.


Otto Haases 1951 erschienene Schrift Musisches Leben markiert noch einmal die Grundpositionen für die Zeit nach dem 2. Weltkrieg:     

Otto Haase, Musisches Leben, Hannover 1951 (= Pädagogische Bücherei Band 19,

 Herausgeber Professor Dr. Otto Haase)


Die Suche nach dem "echten Kontrahenten dieser Zeit" spitzt sich für Haase auf die Frage zu, ob es einen "originä-ren Gegner, also einen echten Widerpart des Musischen" gebe. Er beantwortet die Frage im Kapitel "Der Techniker und der musische Mensch" u.a. so: Wenn Muße haben und Maß halten die Imponderabilien eines musischen Lebens sind, dann ist die Technik sein Widerpart.     

a.a.O., S. 44ff.


Otto Haase war ein einflußreicher, für die Volksschullehrer-Ausbildung in Niedersachsen verantwortlicher Ministerialbeamter, dessen Buch - neben verschiedenen Liederbüchern - zum geistigen Rüstzeug künftiger Lehrer mit dem Schwerpunktfach Musik gehörte! So ausgebildete Lehrer sind noch heute im Dienst. Sie waren auf die


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