gutem Handwerk und schlechter Industrie, von guter Natur und unnatürlicher Technik, von gutem Menschen und inhumaner Maschine.
Für die Musik sei daran erinnert, daß sich das bürgerliche Musikleben ohne technische Verfahren wohl kaum in gleichem Umfange hätte entwickeln können - man denke nur an die zunehmend in Großserien aufgelegten Orchesterinstrumente - gar nicht zu reden von der Fabrikation und massenhaften Verbreitung von Tasteninstrumenten (Klavier / Harmonium).
2. Aus der Fülle von Einflüssen auf das Verhältnis von technischen Medien und Musikpädagogik soll hier nur ein einzelner Zusammenhang herausgegriffen werden, der allerdings die gesamte Zeitspanne von der Jahrhundertwende bis in die 60er Jahre betrifft - und der indirekt auch heute noch wirksam ist. Es geht um geistige Bewegungen, die pauschal mit den Stichworten "Jugendbewegung" und "Musische Bildung" bezeichnet werden sollen.
Als um die Jahrhundertwende die Jugendbewegung "in den Wald" ging, um gegen die eingefahrenen Routen des bürgerlichen Lebens zu protestieren, gehörte zu ihren Grundüberzeugungen auch die Ablehnung all dessen, was als "unnatürlich" galt. So lehnten viele Vertreter der Jugendbewegung das Virtuosentum im bürgerlichen Konzert ebenso ab wie das Klavier als Symbol des bürgerlichen Hausstandes. Sie verfolgten ein völkisches Gemeinschaftsideal, das den Individualismus für ebenso gefährlich hielt wie eine durch die Industrieproduktion geförderte Massenkultur, "Industrie-Proletarisierung" genannt.
3. Bedenkt man, daß aus der Jugendbewegung - und später aus der Jugendmusikbewegung -
Die Jugendmusikbewegung betrachtete die in der Jugendbewegung übliche Musizierpraxis
allenfalls als unkünstlerische Vorstufe dessen, was sie selbst anstrebte. Sie bevorzugte
Kompositionen des 17. und frühen 18. Jahrhunderts ebenso wie die Werke solcher
Komponisten, die der Jugendmusikbewegung nahestanden. Innerhalb der
Jugendmusikbewegung gab es Gruppen, die die Möglichkeiten technischer Medien
durchaus erkannten, z.B. Fritz Jöde, der sich besonders für die unterrichtliche
Verwendung der Schallplatte einsetzte.
Generationen von Lehrern hervorgegangen sind, dann wird deutlich, welche Widerstände gegenüber technischen Medien zu überwinden waren. Als im Rahmen der Kestenberg-Reform in den 20er Jahren aus dem Gesangsunterricht Musikunterricht geworden war, ergaben sich - vor allem für die fachlich wenig vorbereiteten Volksschullehrer - neue Aufgaben im Bereich des Musikhörens und der Werkbehandlung. Für den künstlerisch vorgebildeten Gymnasiallehrer änderte sich vorerst allerdings wenig, da er die notwendigen Hörbeispiele auf dem Klavier darstellen konnte und sollte.
Von hierher ist übrigens auch die gelegentliche Überbetonung des Klavierstudiums bei
Schulmusikern zu erklären. Noch bis zum Ende der 50er Jahre konnte die Staatsexamens-
Gesamtzensur eines Schulmusikers nicht über derjenigen für Klavier als Pflichtfach liegen!
Der Wunsch von Studenten, vorhandene Schallplatten abhören zu können, wurde mit dem
Hinweis auf die vorhandenen Partituren beschieden. Einen Zugang zu
Studioeinrichtungen gab es für Schulmusiker nicht, und sie gibt es an
einigen Hochschulen auch heute noch nicht.
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