- 288 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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Streit. Was ist denn eine Melodie, und was soll denn noch erkennbar sein, wenn es denn sich lediglich um Begleitfloskeln handelt, denen kein Melodiecharakter zukommt? In diesem Zusammenhang erwähnte Karbaum, daß hier gerade der Sound als vierte Dimension der Musikästhetik in die Diskussion geraten sei.

Die Frage, bis zu welchem Grad der Zerstückelung oder Veränderung ein musikalisches Phänomen noch schutzwürdig sei, stellte auch der Jurist Gernot Schulze; er erwarte dort Hilfe von Seiten der Musikwissenschaft. Die von Michael Karbaum genannte Kategorie der Erkennbarkeit zog der Moderator Christian von Bar dabei in Zweifel: Also, wenn Sie mir das einmal so ganz ungeschützt zu sagen erlauben: ob ich von den Tönen der beiden Eröffnungskonzerte von KlangArt heute noch einen einzigen wiedererkennen würde, ist eine für mich sehr zweifelhafte Frage. Vermutlich gar keinen. Also die Erkennbarkeit muß ja doch irgendwie auf eine Nachfrage oder Hörerkreis hin zugeschnitten werden, damit man das beurteilen kann. Bei mir wäre unendlich viel freie Benutzung, weil ich gar nichts erkennen würde.



Musikalische Orientierungen


Die Frage an die Musikwissenschaft nach den Kriterien der Schutzwürdigkeit beantwortete Bernd Enders zunächst mit dem Hinweis auf die Gestaltforschung. Die Musikpsychologen hätten die musikalische Gestalt vor allem an der Melodie erklärt, wobei ein Kriterium sei, daß eine Melodie transponierbar sein müsse, ohne ihre Originalität zu verlieren.

In Rückgriff auf das Klangbeispiel aus dem Film Spiel mir das Lied vom Tod stellte Enders diese Sichtweise dann in Frage: Trotzdem ist es bis heute natürlich ein Problem, die musikalische Gestalt immer klar abzugrenzen. Wenn ich auf das Klangbeispiel von Morricone, auf dieses Mundharmonikamotiv, zurückverweisen darf, dann besteht es gerade einmal aus drei, vier Tönen. Und da ist dieser Wechsel von der verminderten zur reinen Quinte, der irgendwie eine interessante Rolle spielt. Und im Grunde genommen müßte ich jetzt mehrere Parameter unterscheiden, und zwar den melischen Parameter - ich meine jetzt wirklich nur die Tonhöhenbewegung -, dann das Rhythmische, was die melische Bewegung zur Melodie macht, dann das Harmonische, was darunter liegt, hier z.B. auch der stufenförmige Wechsel von a-moll nach E-Dur, der ganz raffiniert eingebracht ist. Und ich würde sagen, jeder von Ihnen wird zustimmen, daß ohne den Mundharmonikaklang selbst die Sache schon erheblich banaler und uninteressanter wäre.


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