- 289 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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ich verschiebe die Töne. Beginne sozusagen mit einem Auftakt oder so. Es gibt Experimente, daß man ein Stück, was eigentlich auftaktig gemeint ist, auf die Eins setzet, dann klingt es ganz anders, obwohl genau dieselben Töne dastehen.

Ergänzend nannte Michael Karbaum ein Beispiel, bei dem der gegenwärtig praktizierte Schutz der Melodie, wie von musikwissenschaftlicher Seite definiert, nicht ausreiche: Die Aura eines Musikstücks könne durch die Verwendung ganz kurzer Ausschnitte verletzt werden, die jenseits der Melodiedefinition liegen. Hier werde der starre Melodienschutz in der Praxis erweitert. In Anlehnung hieran schlug Kristian Schulze als Kriterium für Schutzwürdigkeit die Kategorie des charakteristischen Gehaltes eines musikalischen Partikels vor.

Ein Teilnehmer aus dem Auditorium thematisierte die Frage der Meßbarkeit anhand des Sounds: ein spezifischer Sound sei viel weniger musikalisch meßbar als etwa ein Melodiepartikel. In diesem Zusammenhang problematisierte Christoph Engel noch einmal die Maxime der Erkennbarkeit als Maßstab für das Plagiat: Der Markt, auf dem im Bereich der Popmusik verkauft wird, könne relativ genau festgelegt werden.

Und wenn diejenigen, die es kaufen, es mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit wiedererkennen, ist es ein Plagiat. Wenn diejenigen, die es kaufen, es nicht mehr wiedererkennen, dann kann der Musikwissenschaftler noch so lang sagen, es ist geklaut. Darauf kann es aus ökonomischer Sicht nicht mehr ankommen.

Das eigentlich schwierige Problem ist der persönlichkeitsrechtliche Bereich. Denn im Urheberrecht haben wir ja eben die Doppelfunktion. Wenn es hier nur, wie beim Patent, darum gehen würde, den ökonomischen Nutzen zu sichern, würde ich sagen, ich habe mein Ergebnis. Aber im Urheberrecht habe ich noch die persönlichkeitsrechtliche Seite. Und die Frage ist, ob trotzdem der in seinem Innersten verletzte Erfinder sagen kann: nun hab' ich mir solch' eine Mühe gegeben, das zu kreieren, nun klaut der Idiot mir das. Dafür muß ich doch Rechtsschutz haben. Also die Frage ist, ob der urheberrechtliche Aspekt uns hier zwingt, über den aus ökonomischer Sicht eigentlich richtigen Nachfragerkreis hinauszugehen. Die Frage kann ich im Moment, ehrlich gesagt, noch nicht beantworten.

Ein Teilnehmer aus dem Publikum stellte die Frage der Absicht in den Raum, weshalb ein musikalisches Phänomen in einem anderen Zusammenhang wieder erscheine: ob es aus rein kommerziellen oder aus künstlerischen Gründen geschehe. Damit brachte er das eigentliche Thema der Diskussion - Musik im Recht - auf den Punkt. Wird durch urheberrechtliche Maßnahmen nur die ungerechtfertigte Bereicherung am geistigen Eigentum anderer unterbunden oder wird auch dem kreativen Umgang mit eben diesem Eigentum Schranken gesetzt?

Bernd Enders nannte als Beispiel die Auftragskomposition der Stadt Osnabrück zum KlangArt-Festival 1993, das Orgelwerk Le Tombeau de Messiaen von Peter Michael Hamel. Darin verwendet Hamel einen Ausschnitt aus Messiaens früher Komposition Le banquet céleste. Auch aus dem Zuhörerkreis kamen ähnliche Beispiele des Zitierens präexistenter Kompositionen.


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