- 272 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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6. Freie Benutzung


Eingangs hatte ich erwähnt, daß kein Urheber im freien Raum schafft, sondern auf bestehenden Werken aufbaut. Wenn er sich von fremden Werken lediglich anregen läßt, um etwas eigenes zu schaffen, und wenn dabei die individuellen Züge des fremden Werkes hinter der Individualität des von ihm neu geschaffenen Werkes verblassen, spricht man von einer freien Benutzung, welche grundsätzlich ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werks zulässig ist (§ 24 UrhG).

Im Bereich der Musik wird dieser Grundsatz dahingehend eingeschränkt, daß bereits die erkennbare Entnahme einer Melodie aus einem fremden Werk in ein neues Werk generell unzulässig ist.

Einerseits wurde dieser sogenannte starre Melodienschutz vielfach kritisiert und als zu eng empfunden, und zwar nicht zuletzt mit dem Argument, daß berühmte Variationswerke als Rechtsverletzungen hätten unterbunden werden können, wenn dieses Recht damals schon gegolten hätte oder wenn sich die Urheber auf diese Vorschrift berufen hätten.

Vgl. Karl Fromm / Wilhelm Nordemann / Kai Vinck, § 24, Rdnr. 12 ff.; Gerhard Schricker / Ulrich Loewenheim, § 24, Rdnr. 22


Andererseits leben manche Kompositionen insbesondere der Unterhaltungsmusik von einem verhältnismäßig kurzen, aber durchaus charakteristischen Einfall. Auch solche Kompositionen sollen gegen unerlaubte Verwertungen geschützt bleiben. Allgemein stellt die Rechtsprechung im Bereich der Musik verhältnismäßig strenge Anforderungen an das Vorliegen einer freien Benutzung.

Vgl. Karl Fromm / Wilhelm Nordemann / Kai Vinck, § 24, Rdnr. 4; Gerhard Schricker /

 Ulrich Loewenheim, § 24, Rdnr. 11; BGH GRUR 1981, S. 267, 269 - Dirlada.


Beispielsweise wurden sogenannte Techno- oder Dancefloorversionen des Chorstücks O Fortuna aus den Carmina Burana von Carl Orff nicht als freie Benutzungen, sondern als erlaubnispflichtige Bearbeitungen und in den konkreten Fällen als Urheberrechtsverletzungen eingestuft.

LG München vom 29.04.92, AZ: 21 O 5691/92


Hier kommt wiederum der Schutzumfang der beiden sich gegenüberstehenden Werke zum Tragen.

Je individueller das fremde Werk ist, desto weiter muß sich der Urheber des nachgeschaffenen Werkes von den individuellen Zügen des fremden Werkes entfernen. Umgekehrt liegt dann eher eine freie Benutzung vor, wenn das Zweitwerk besonders individuell ist, während die Gestaltungshöhe des Erstwerks gering ausfällt.     

BGH GRUR 1991, 531, 532 - Brown Girl I


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