- 24 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
  Erste Seite (3) Vorherige Seite (23)Nächste Seite (25) Letzte Seite (381)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 


- und das quasi in Realtime und immer am "Original". Der Computer wird bis in den Alltag - über die Unterhaltungsindustrie (CD-I...) organisiert - zum universellen Symbolmanipulierer, und das könnte sehr bald software-basierte Klang- und Partitursyntheseverfahren ebenso einschließen wie heute schon Harddiscrecording und Videoproduktion.

Der PC als zeitgemäßer Musikautomat bietet universelle Möglichkeiten, mit digitalen Datenformaten unterschiedlichster Herkunft zu jonglieren. Ob spezifisch oder unspezifisch musikalisch, ist nicht mehr Frage meiner Arbeitsweise, sondern eine frei zu treffende Entscheidung. Die Möglichkeit, verlustfrei zu kopieren und in Echtzeit mit den verschiedensten Medien auf einer einheitlichen Oberfläche zu interagieren, stellt die Frage nach Verantwortung, Sinn und Zweck meines Tuns jenseits von Sachzwängen und Tradition schärfer als bisher. Grenzen zwischen verschiedenen Genres werden aufgehoben - selbst Unterscheidungen zwischen Arbeit und Unterhaltung, Lernen und Reproduktion, Kunst und Wissenschaft, Subjekt und Objekt geraten ins Wanken, bedürfen neuer Definition und Antworten.

Momentan kultiviert sich im HipHop, Techno und anderen verwandten Stilen auf der anderen Seite die endlose Kopie in Form von Remixes, Re-Masterings und Collage-Techniken in permanenten Wiederholungen kleinster übereinandergelagerter Rhythmus- und Melodie-Pattern, gepaart mit monotonen, einfach rhythmisierten Sprachgesängen.


Vielleicht haben wir jenen mittelalterlichen Begriff von Komposition wieder erreicht, jenes als Cento-Verfahren bekannte Zusammenstellen von Musik aus melodischen Fetzen...

Konrad Boehmer, a.a.O., S. 266


Die Grenze zwischen Produktion und Konsumtion wird durch diese Produktionsverfahren unter den heutigen Bedingungen schon sehr verschwommen. (Ein interessanter Hinweis ist die Herkunft dieser Stile aus den Schwarzen-Ghettos amerikanischer Großstädte; ähnlich wie Scratching, Breakdance, Rap ...)

Ein heutiger Komponist, sofern er sich auf den Computer einlassen möchte, befindet sich unabhängig von seiner stilistischen Ausrichtung in einer einmaligen Situation. Bezogen auf den eingangs erwähnten Regelkreis ist er Komponist, Instrumentenbauer, Arrangeur, Studiotechniker, sein eigener Dirigent, Interpret, Notensetzer und Verleger. Und er arbeitet in Realtime - das Ergebnis hörend komponierend. Das bedeutet eine völlig veränderte Haltung dem ästhetischen Material gegenüber, die bisher von mitunter jahrelanger intensiver theoretischer Auseinandersetzung, Übung, Erfahrung und Wissen geprägt war. Heute springt er zwischen den keinerlei chronologischen Zwängen unterliegenden Arbeitsschritten, wie es ihm notwendig erscheint. (Zur Not erfindet er das Instrument in Form eines Klangs eben zuletzt. Die Hörpartitur, die


Erste Seite (3) Vorherige Seite (23)Nächste Seite (25) Letzte Seite (381)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 24 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II