- 22 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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Hier knüpft die Entwicklung elektronischer Spielinstrumente in der U-Musik 60 bis 70 Jahre später wieder an die Tradition der frühen elektrischen Instrumente an. Neue Sounds und unverbrauchte Effekte sollen unverminderte Aufmerksamkeit in einer musikalisch stark reglementierten Umgebung garantieren. Der schlichte Markt hat im Diktat solcher Prozesse den ästhetischen Disput der 20er Jahre abgelöst. Nur diesmal im großen Stil, global, mit großen internationalen Konzernen im Hintergrund, die die neuesten Entwicklungen aus den Forschungslabors sofort auf die Bedürfnisse der Unterhaltungsmusik zugeschnitten vermarkten.

Heute hat sich das Verhältnis zwischen Avantgarde und Massenproduktion längst umgekehrt. Die Präsenz der Elektronikkonzerne ist so umfassend geworden, daß ihre Keyboards, Synthesizer, PCs und Programme in den Forschungslabors, Studios, Hochschulen und Institutionen für zeitgenössische Musik zu finden sind. Heute versuchen experimentelle Musiker mit den industriellen Geräten zu arbeiten, was allzu oft daran scheitert, daß sie in Funktion, Bedienung und Software-Architektur wirklich nur für einen ganz bestimmten Teilmarkt des Unterhaltungssektors ausgelegt sind.

Die positive Seite dieser Entwicklung ist eine breite Demokratisierung dieser Technologien. Durch Massenproduktion für viele erschwinglich geworden, hat sich das elektronische Instrumentarium in einer Art und Weise etabliert, wie es 1960 niemand zu träumen gewagt hätte. MIDI ermöglichte auch kleineren Homecomputern die steuernde Zusammenarbeit mit Synthesizern und MIDIfizierten Peripheriegeräten, so daß sehr leistungsfähige Software besonders im - die Logik des MIDI-Standards unterstützenden - Sequencerbereich entstehen konnte.

Allerdings scheint sich die rasend schnelle Entwicklung immer neuer Produkte abzuschwächen. Techno und viele mit ihm verbundene Stile orientieren sich wieder nach hinten, an den Sounds der alten Analogsynthesizer. "Unplugged"-CDs sind ein großer Erfolg. Mit dem gleichen technologischen Aufwand wie gewöhnlich produziert, signalisiert der Wechsel von der E- zur elektronisch abgenommenen Akustik-Gitarre Unmittelbarkeit, modische "Natürlichkeit" und den übriggebliebenen Rest alter Genieästhetik. Und das in Pop-Inszenierungen, die den Einsatz der Technik für den Konsumenten immer unübersichtlicher erscheinen lassen. Und so hält sich dieser an das, was er sieht: das Instrument! Künstlich oder natürlich?! (... der kann ja wirklich singen/spielen...). Der hier verwandte Naturbegriff trägt interessanterweise in einer seltsamen Verdrehung Formen der eben erwähnten Lebensersatz-Funktion der Automaten!

Der Chefredakteur eines großen Magazins für Musikelektronik und Homerecording beschwerte sich unlängst, die diesjährige größte, internationale Musikmesse in Frankfurt/M. würde als langweilig und öde verurteilt, dabei wäre doch die Musikelektronik noch nie so billig und so gut gewesen. Recht hat er!

Und doch hat sich die Funktion, die diese Instrumente heute anbieten, in das Gegenteil dessen verkehrt, was einmal auslösender Gedanke für ihre Entwicklung gewesen war: Moderne Synthesizer bieten zwar mehrere Klangsyntheseverfahren


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