- 20 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
  Erste Seite (3) Vorherige Seite (19)Nächste Seite (21) Letzte Seite (381)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 


Lontano). Aus der sogenannten "reinen" elektronischen wurde eine elektroakustische Musik.

Von heute aus betrachtet ist, zugespitzt formuliert, im Rahmen der zeitgenössischen Musik diese Periode deshalb von besonderem Interesse, weil viele Komponisten durch die Arbeit in elektronischen Studios Anregungen erhielten, die sie häufig erst sehr viel später in ihren Stücken auch für traditionelles Instrumentarium umsetzten. E. Varèse, J. Cage, I. Xenakis, G. Ligeti, M. Kagel, E. Krenek und viele andere wären zu nennen, deren "elektronische Erfahrungen" ihr ganzes kompositorisches Schaffen beeinflußte, ohne daß sie - durchgängig - elektronische Musik gemacht hätten. (Eine solche Aussage vernachlässigt zwangsläufig die vielen sehr guten und interessanten Stücke, die gerade in der Anfangsphase in den großen Studios der Welt entstanden sind.)

Ein ganz besonders interessantes Beispiel für die tiefgehende Beeinflussung der Neuen Musik durch Verfahren und Denkkategorien, wie sie in den Anfängen der Elektronischen Musik in den frühen Arbeiten entstanden, ist Luigi Nono, der nach lebenslanger Beschäftigung mit elektroakustischen Materialien (La fabbricca illuminata, 1964) in seinen letzten Stücken überwiegend mit live-elektronischen Elementen gearbeitet hat.

Nach jahrelangen Versuchen im Experimentalstudio der Heinrich-Strobel-Stiftung in Freiburg gelangen ihm realtime-gesteuerte, mit und zwischen den Interpreten stattfindende interaktive Klangprozesse von unglaublicher Spannung und Schönheit. Nono selbst verwies auf eine interessante Dialektik, als er betonte, daß seine Klangschöpfungen weniger auf das Neue, auf die technologische Sensation gerichtet sind, als vielmehr den Bezug auf die alten venezianischen Meister herstellen, die mit architektonischen Mitteln Klangbewegungen im Raum, Modulationen und Zeitverzögerungen mit"komponiert" haben.

Aber auch eines seiner Schlüsselwerke, das Streichquartett Fragmente - Stille - An Diotima von 1981, ist interessant in diesem Zusammenhang. Auf eine bestimmte Art und Weise sind diese unglaublich zarten und doch so eindringlichen Geräusche, die nur ganz vereinzelt Ton werden dürfen, "elektronische Musik", genial auf das Instrumentarium eines traditionellen Streichquartetts übertragen (das umgekehrte Verfahren der Pop-"Bearbeitungen" also).

Allerdings hat sich die vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert für unsere Kunstmusik kennzeichnende Wechselwirkung mit Stilen der "Vulgärmusik" (Konrad Boehmer) heute recht einseitig zu deren Gunsten verschoben. Das geschah zu Zeiten großer gesellschaftlicher Umbrüche, also im 16. und 18. Jahrhundert auch, allerdings nicht unter den Vorzeichen einer umfassenden Unterwerfung unter die Ökonomie, wie wir sie seit der ersten industriellen Revolution in der westlichen Welt erleben.


Das Drama "neuer" Kunstmusik läßt sich ganz einfach als Ausfluß des ökonomischen Prinzips des "realen" Kapitalismus beschreiben: Die Perfektionierung


Erste Seite (3) Vorherige Seite (19)Nächste Seite (21) Letzte Seite (381)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 20 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II