- 196 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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Aber was bedeutet "schön" in diesem Zusammenhang? Es gibt ja Zielvorstellungen, die gerade auf solche "elektronisch" klingenden Klänge gerichtet sind, daß man gerade synthetisch klingende, penetrante Klanggebilde hören möchte. Dafür sind Regelmäßigkeiten in der Zeit- und Spektralfunktion und eine regelmäßige Unregelmäßigkeit gerade richtig. Aber für das, was sich in der Geschichte des Abendlandes an Klangfarben entwickelt hat, gilt in jedem Falle, daß es eine Strukturierung besitzt.

Schumann erwähnt schon jene "Lücke" zwischen den beiden Formanten der Oboe, dieses Gebiet mit schwachen Teiltönen beim Englisch Horn und Fagott;     

Erich Schumann, a.a.O., 1929: S. 45 (Oboe), S. 110 (Englisch Horn) und S. 208 (Fagott)


Meyer-Eppler prägte für solche Minima im Energiedichtespektrum die Ausdrücke "negative Formanten", auch "Antiformanten", und vermutete schon ihre den Klang charakterisierende Wirkung.

Werner Meyer-Eppler, Grundlagen und Anwendungen der Informationstheorie, 2. Auflage, Berlin/Göttingen/Heidelberg/New York 1969, S. 382


Strukturierung durch starke Einschnitte in den Spektren hat heute eine große Bedeutung für die Qualität von Klängen gewonnen.

Beispiele dafür haben wir in dem in diesem Band abgedruckten Beitrag von Gätjen vorliegen. In den Fällen, in denen der Trompeter in guter Kondition und seine Idealvorstellung vom Klang besser zu realisieren imstande war, bringt er in die spektrale Hüllkurve zwischen den ersten und den zweiten Formanten eine Senke hinein. Dadurch wird der erste von dem zweiten Formanten besser getrennt.

Im Vergleich dazu zeigen die Klangbeispiele, die ihn nicht so sehr befriedigten, nicht so deutliche Einschnitte.Strukturierung durch Einschnitte (Senken, Minima oder "Antiformanten") also scheint das Merkmal zu sein, das dafür verantwortlich ist, daß wir einen Klang als angenehm empfinden.

Es gehört aber - und damit möchte ich hier schon einmal den zweiten Faktor ansprechen - noch ein weiteres Merkmal dazu: der Klang muß in seinem zeitlichen Ablauf eine gewisse Ungleichmäßigkeit besitzen, das heißt, er muß auch im Zeitbereich eine ungleichmäßige Strukturierung besitzen, sogenannte Schwankungserscheinungen. Diese machen den stationären Ton zum quasi-stationären. Nicht etwa zum nicht-stationären; denn nicht-stationär ist ein Geräusch! Das, was wir erzeugen möch-ten, und das, was mit den Musikinstrumenten normalerweise produziert wird, aber gilt noch als Klang. Die Entscheidung darüber liegt beim Gehör. Seine begrenzte spektrale Auflösungsfähigkeit und, damit zusammenhängend, seine Integrationszeit, seine Fähigkeit, leicht aperiodische Zeitstrukturen in gewissen Grenzen noch als periodisch anzuerkennen, ja sogar noch als besonders schön zu bewerten, legt den Übergangsbereich vom Klang zum Geräusch fest. Ein "musikalischer" Ton ist ein Klang mit mehr oder weniger klarer Tongebung, er erzeugt eine mehr oder weniger definierte Grundtonempfindung,     

Werner Meyer-Eppler et al., Residualton und Formantton, in: Gravesaner Blätter 4, 1959, H. 14, S. 70-83; Jobst Peter Fricke, Die Innenstimmung der Naturtonreihe und der Klänge, in: Festschrift K.G. Fellerer

 zum 60. Geburtstag, hrsg. von H. Hüschen, Regensburg 1962, S. 161-177


es ist eben ein Klang, den wir als quasi-stationär


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