- 17 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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Mischung aus Utopien, Skepsis und dem Wunsch nach einem Bruch mit der Vergangenheit entstanden neue Ansätze. Während des zweiten Weltkrieges war das elektromagnetische Tonband im nationalsozialistischen Deutschland zur Serienreife entwickelt worden, so daß erstmals ein analoges Speichermedium für Musik zur Verfügung stand, welches manuell z.B. durch Schneiden, Kleben oder Bekratzen mechanisch bearbeitet werden konnte. Verfahren, die im Film schon seit Jahrzehnten bekannt und bereits erfolgreich künstlerisch umgesetzt worden waren.

Dazu kamen mehrere Entwicklungen, die unterschiedlich rezipiert und aufgegriffen wurden. Die aus der zweiten Wiener Schule hervorgegangenen seriellen Kompositionstechniken boten sich für mechanische Be- und Verarbeitung aufgrund der Komplexität, mit der jeder musikalische Parameter individuell bestimmten Reihenprinzipien unterworfen wurde, geradezu an.

Das war auch eine der geschichtlichen Ursachen, die dazu führte, schon in den 50er Jahren in diesem Zusammenhang mit Rechenmaschinen zu experimentieren - die Ursprünge der Computermusik.


Soweit Computer-Komposition sich aus der seriellen Tradition heraus entwickelte, läßt sich feststellen, daß sie bis zum heutigen Tage sich nicht von einer der "klassischen" Doktrinen frühen seriellen Denkens hat lösen können, nämlich der der totalen Prädetermination (...), die zu Beginn der 50er Jahre eines der Legitimationsmittel seriellen Komponierens schlechthin war, zumindest soweit man sich von ihr erhoffte, daß sie eine Kontrolle nicht nur über das kleinste Detail, sondern auch apriorisch über den totalen Formverlauf garantieren könne (...) Deutlich ist heute, daß die Anwendung von Algorithmen und Computern auf kompositorische Prozesse nicht die erhoffte Komplexität (den inneren Beziehungsreichtum) entwickelter moderner Musik hervorgebracht hat, sondern im Gegenteil eine erschreckende musikalische Simplifikation bewirkte.     

Konrad Boehmer, a.a.O., S. 244f


Aus den zwanziger Jahren gab es als weitere Einflußfaktoren die Emanzipation des Geräuschs, die von den italienischen Futuristen und Komponisten wie Strawinsky, Milhaud, Bartók, Hindemith und Varèse (die alle auch schon für Elektrophone komponiert hatten) vorangetrieben worden war; zum anderen Ansätze einer "Radiophonischen Musik", die, auch von den politischen Auseinandersetzungen dieser Zeit geprägt, schon ganz mediale Musik sein wollte.

Schließlich hatte der große Dirigent und Theoretiker Hermann Scherchen in Gravesano ein Institut für "Musikalische, Elektroakustische und Schallwissenschaftliche Grenzprobleme" gegründet, das schnell zu einem Zentrum der internationalen Avantgarde wurde. In seiner Zeitschrift, den Gravesaner Blättern (1954-1967), veröffent-


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