- 162 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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sichtlich, obwohl sich auch hier Ähnlichkeiten zu dem Problem der Semantik in der Lyrik ergeben könnten.

Die starke Hypothese der kompositionellen Semantik der Sprache (die sich allerdings auch nur mit Einschränkungen aufrechterhalten läßt) scheint in der Musik (wie vermutlich auch in der Lyrik) keine direkte Entsprechung zu haben. Dazu fehlt ein stark strukturierter semantischer Raum, wie ihn etwa die Prädikatenlogik für die Sprache liefert.



1.3 Zur Modellierung musikalischen Wissens


Bei dem Versuch, musikalisches Wissen und musikalische Regeln in der Weise zu modellieren, wie dies im KI-Bereich üblich ist, zeigen sich auch die gleichen Phänomene wie bei der Modellierung anderen Bereichen:

(a)     Vermeintlich präzise Definitionen erweisen sich als unvollständig oder gar      widersprüchlich:

     z.B.: Ist e - c eine (kleine) Sexte (und damit konsonant) oder eine übermäßige Quinte      (also eigentlich fb - c) (und damit dissonant) in der C-Dur-Tonleiter?

     In der Praxis wird implizites bzw. Hintergrundwissen über den genaueren      Zusammenhang verwendet, das in der Definition häufig nicht genannt wird.

(b)     Der Status von Regeln ist oft unklar. Für die meisten Regeln sind gewisse Ausnahmen      zugelassen, deren genaue Bedingungen häufig nicht hinreichend begründet werden      können, wie z.B. die Vermeidung der Terzverdopplung im vierstimmigen Satz oder das      Verbot von Quintenparallelen beim Kontrapunkt.


Das Problem der Präzisierung und Aufbereitung von Wissen für die Verwendung in Expertensystemen ist unter dem Begriff "knowledge acquisition bottle-neck" bekannt. Es entsteht dadurch, daß Experten oft nicht in der Lage sind, ihr Wissen adäquat zu verbalisieren und die Expertensystembauer (die "Wissensingenieure") ihrerseits keine Experten für die zu modellierende Domäne sind.

Dabei sind nicht so sehr Inkonsistenzen (a) oder sogenannte "weiche" Regeln (b) ein Problem, denn dafür gibt es durchaus Ansätze in der Wissensmodellierung (etwa durch Strukturierung des Wissensbestandes bzw. Default-Formalismen), sondern die Probleme entstehen vor allem dadurch, daß die Experten den Status dieser Anomalien nur schwer spezifizieren können. Üblicherweise werden dann Beispiele bzw. Ausnahmen angeführt, ohne daß das Charakteristische dieser Beispiele und Ausnahmen formalisiert werden könnte.

Bei der Aufbereitung des Wissens einer den formalen Methoden eher verschlossenen Domäne wie der Musik ist also ein hohes Maß an Präzisierungsarbeit zu leisten, die wiederum nur durch bewußt in Kauf genommene Vereinfachungen gelingen kann. Damit ist auch klar, daß die auf solchen vereinfachten Theorien basierenden Ergeb-


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