- 14 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
  Erste Seite (3) Vorherige Seite (13)Nächste Seite (15) Letzte Seite (381)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 


Entwickeltheit ästhetischer und handwerklich-künstlerischer Fähigkeiten stehen. Gerade die revolutionäre Bourgeoisie interessiert sich 200 Jahre vor der industriellen Revolution für das antike Ideal der Mathematisierung unbelebter Natur und verdrängt damit das rituelle, magische Denken des Mittelalters.


Mathematisieren: das ist ein altes Ideal, kein bürgerliches. An seinem Beginn ist es an Musikalisierung geknüpft, an Zauber und Magie. Mathematisieren ist anfänglich die Geste des Spielens der Leier und der Flöte. Doch diese Geste hat sich gewandelt. Sie ist zur Geste des Ablesens geworden. Für den Islam ist die Natur ein von Gott geschriebenes Buch, und es ist in Zahlen geschrieben. (...) Der revolutionäre Bourgeois sucht die Bewegungen unbelebter Gegenstände genau in so einer "islamischen" Form zu mathematisieren. Seine Geste des Suchens ist auch die Geste des Entzifferns. Und eben dank dieses Aspekts ist seine Forschung "exakt" geworden (...) Auf diese Weise wird ein neuer Typus von "Natur" entdeckt. Und diese Natur gestattet die Suche nach einer objektiven und exakten Erkenntnis. Der Mensch wird zum transzendenten Subjekt dieser Natur.

Vilém Flusser, Gesten, Düsseldorf 1991, S. 268


Das heißt, es setzt auch ein Umkehrprozeß ein, der in Anschauung der eigenen vergegenständlichten Gesellschaftlichkeit die Phantasie nach vorne, hin zu Utopien und Wünschen freisetzt.

Schon 1618 schreibt Francis Bacon in seinem Roman New Atlantis:


Wir haben auch Klanghäuser, wo wir alle Töne erzeugen können und ihre Entstehung ergründen (...) Wir haben Harmonien, die ihr nicht habt, auch solche aus Vierteltönen und noch kleineren Intervallen, (...) seltsame und künstliche Echos, die die Stimme mehrfach reflektieren und sie gleichsam herumstoßen, (...) Mittel, die Klänge zu übertragen, (...) Instrumente, euch unbekannt(...)

nach Fred K. Prieberg, a.a.O., S. 237


Der Bruch vom Mittelalter zu der neuen Gesellschaft als Veränderung der Wahrnehmung und des Denkens bleibt als Abwendung von den "interessierenden" Themen des Mittelalters (Seele, Körper, Liebe, Krankheit, Tod) in unserer Herangehensweise an Technologie bis heute erhalten.


Seine [des Bourgeois´, MH] Forschung war "rein" und uninteressant. Er kehrt den interessanten Problemen den Rücken und überließ Freude und Leid, Ungerechtigkeit und Krieg, Liebe und Haß außerwissenschaftlichen Disziplinen wie


Erste Seite (3) Vorherige Seite (13)Nächste Seite (15) Letzte Seite (381)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 14 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II