- 118 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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beschreibbar, aber unsinnig, wenn man an den vertikalen Beziehungen zwischen den Klötzchen interessiert wäre.

Ebenso denke man an die Beschreibung musiktheoretischer Sachverhalte wie z. B. von Akkordprogressionen auf physikalisch-akustischer Ebene, die vielleicht prinzipiell möglich wäre, oder die Beschreibung des Metrums, wo sich allerdings die Frage stellt, ob dieses in akustischer Terminologie beschreibbar ist. So sind m. E. auch die berechtigten Kritiken von Georg Feder (1980) und anderen an den psychoakustischen Forschungsansätzen der Systematischen Musikwissenschaft der 60er und 70er Jahre zu verstehen: Die Ebene ist zu fein gewählt, als daß eine Beschreibung musiktheoretischer Objekte, Relationen und Funktionen jemals sinnvoll erreichbar wäre. Musiktheorie auf psychoakustischer Ebene scheint nicht sinnvoll realisierbar zu sein. Wird die Ebene zu grob gewählt, so kann die Formalisierung völlig unmöglich gemacht werden. Die Ebene der Form (Sonate etc.) erlaubt nicht die Formalisierung von Akkordstrukturen und deren Progressionen.

Durch Reifikation können Eigenschaften von Eigenschaften betrachtet werden. Bei der Konzeptualisierung-2 = < { a, b, c, d, e }, { }, { rot, weiß, blau } > ist es nicht möglich, Eigenschaften von Farben zu erörtern, d. h., es kann zwar die Farbeigenschaft der Klötzchen erörtert werden, z. B. durch "x ist rot", nicht jedoch die Eigenschaft der Farbe, wie sie z. B. durch den Satz "Rot ist schön" ausgedrückt wird. Wenn jedoch die Farbprädikate als eigenständige Objekte reifiziert werden und eine partielle Funktion Farbe eingeführt wird, wie in der Konzeptualisierung-3 = < {a, b, c, d, e, rot, weiß, blau}, {Farbe }, { schön } >, dann können die Eigenschaften von Farben in dieser Konzeptualisierung erörtert werden.

Als letztes ist noch anzumerken, daß es bei einer Konzeptualisierung zunächst nicht um den ontologischen Status der Objekte geht, d. h., es geht nicht darum, ob diese Objekte wirklich existieren. Man denke an die Idealisierungen in den Wissenschaften, an angenommene theoretische Entitäten, die innerhalb einer empirischen Theorie die Erklärung bestimmter Phänomene erst ermöglichen. Es handelt sich um das schwierige Problem der theoretischen Terme in Verbindung mit dem Zweisprachenkonzept der Wissenschaft, auf das hier nicht näher eingegangen werden kann (näheres s. Stegmüller 1970, S. 213-437; Balzer 1982; Zogler 1993). Mit Genesereth / Nilsson (1987, S. 19) läßt sich sagen:


Wir haben weder den Standpunkt des Realismus eingenommen, der besagt, daß die Objekte in einer Konzeptualisierung existieren, noch haben wir den "Nominalismus" vertreten, der besagt, Begriffe hätten nicht notwendigerweise eine Existenz außerhalb von uns selbst. Die Konzeptualisierungen sind unsere eigene Erfindung, und ihre Rechtfertigung liegt allein in ihrer Zweckmäßigkeit. Diese fehlende Festlegung zeigt die ontologische Unverbindlichkeit der KI: jede Konzeptualisierung der Welt ist angemessen, und wir suchen diejenige, die für unsere Zwecke paßt.


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