- 114 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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plexität auszugehen und diese nicht auf isolierte melodische, rhythmische und harmonische Aspekte zu reduzieren.

Erste Vorschläge, die von Brooks und anderen vertretene Methode auf die Musikforschung zu übertragen, finden sich bei Christoph Lischka (1991). Er schlägt vor, durch "Kolonien künstlicher Vögel" experimentell die Entwicklung des Vogelgesangs zu untersuchen und somit Aufschlüsse über den sozialen Ursprung von Musik zu erhalten. Lischkas zunächst ungewöhnlich anmutender Vorschlag ist nicht so ungewohnt, wie er zunächst erscheinen mag. Er hat seine Vorläufer in der Diskussion um die Frage der Entstehung der Musik zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in der u. a. auf die Imitation von Vogelgesängen Bezug genommen wurde (vgl. Kunst 1955, S. 46-47; vgl. auch die Arbeiten Lachs 1920, 1923 und Hornbostels 1911). Die von Lischka vorgeschlagenen Studien könnten zur Wiederbelebung dieser evolutionär-komparativen Musikforschung führen und so einer experimentellen Überprüfung zugeführt werden.



4.5 Die "parsende" KI


Das Parsing ist eng mit dem Konzept der Grammatik verknüpft. Vereinfacht läßt sich der Vorgang des Parsens beschreiben als die Zuordnung eines Ableitungs- bzw. Strukturbaumes von syntaktischen Kategorien zu einer Folge von Einheiten gemäß den Regeln einer Grammatik. Ray Jackendoff, einer der Begründer der generativen Theorie tonaler Musik, in welcher der musikalischen Oberfläche gemäß bestimmter Regeln Strukturbeschreibungen zugeordnet werden, diskutiert in einem neueren Artikel (Jackendoff 1991), welche Aspekte berücksichtigt werden müssen, wenn Musikwahrnehmung als (psychologisches) Parsing modelliert werden soll. Neben den bekannten generativen Grammatiken gibt es Erweiterungen dieser Idee durch Lindenmayer-Systeme, Graphersetzungsgrammatiken, pattern-grammars, erweiterte Transitionsnetzwerke (augmented transition networks; ATNs) etc.

Schon Douglas Hofstadter (1985, S. 667) spekulierte in seinem bekannten Buch Gödel, Escher, Bach - Ein Endloses Geflochtenes Band über die Bedeutung der ATNs als "mentaler Grammatik" für die Musikperzeption:


(...) wenn also die Bedeutung der Musik überhaupt irgendwie zu fassen ist (und ich glaube, daß das möglich ist), kann sie als ATN-Grammatik gefaßt werden. Gewiß. Aber, so behaupte ich, in diesem Fall definiert die Grammatik nicht einfach musikalische Strukturen, sondern sämtliche geistigen Strukturen des Hörers. Die "Grammatik" wird eine vollständige Grammatik des Denkens sein, nicht einfach eine Grammatik der Musik.


Es kann an dieser Stelle nicht Hofstadters Hypothese diskutiert werden, daß ATNs oder ein anderer äquivalenter Formalismus mit der Mächtigkeit der Turing-Maschine


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