- 103 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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Carrier / Mittelstraß (1989, S. 212 u. 210) bringen folgende anschauliche Charakterisierung dieses abstrakten Sachverhalts: In der Kognitionswissenschaft werden psychologische Prozesse als formale Operationen an semantisch interpretierten Größen aufgefaßt (...). Die Kognitionswissenschaft unterstellt also eine Art Ko-variation zwischen syntaktisch-kausalen und semantisch-logischen Relationen bei der gleichen Zustands- oder Ereigniskette.

Diese entscheidende Annahme erlaubt den Einsatz der qualitativen Computersimulation zur Erforschung kognitiver Prozesse. Es ist daher möglich, daß die Computersimulation zur Erforschung mentaler Prozesse eingesetzt werden kann, und sie bildet somit das zentrale methodische Hilfsmittel der Kognitionswissenschaft bei der Erforschung kognitiver Prozesse (vgl. Strube et al. 1993; Newell 1990, Newell 1992, Newell, Young / Polk 1993).

Die bisher erörterten Annahmen liegen also den von der klassischen KI beeinflußten Computersimulationen mentaler Prozesse zugrunde. Die KI kann folglich als eine Hilfswissenschaft bei der Erforschung, Modellbildung und Simulation kognitiver Prozesse betrachtet werden. Diese Prozesse wurden zunächst als Symbolverarbeitung betrachtet, zu der dann Ende der 70er Jahre die Erkenntnis hinzukam, daß Wissen ebenfalls einen zentralen Punkt ausmacht. Diese weitere Konkretisierung der Idee, daß Kognition Errechnung ist, erfolgte mit der Physical-Symbol-System-Hypothese von Allen Newell und Herbert A. Simon (1976; Newell 1980), die nach Erfahrungen mit Systemen der KI in der siebziger Jahren um das Knowledge-Level (Newell 1982, Newell 1986a, Newell 1986b, Newell 1988) ergänzt wurde.

Logik bildet dabei das grundlegende Werkzeug zur Analyse des für eine erfolgreiche Problemlösung benötigten Wissens und dessen Repräsentation. Es wird daher hier in bezug auf die KI die These vertreten, daß sie angewandte Logik ist (vgl. Genesereth / Nilsson 1987; Osnicki-Klewe, Luck und Nebel 1993). Den epistemologischen Rahmen der KI bilden folglich Automatentheorie und Logik. Dies bedeutet nicht, daß die zur Implementierung benutzten Formalismen rein logischer Art sind, sondern vielmehr, daß die Logik das wesentliche Werkzeug für die Analyse der benutzten Formalismen und des benötigten Wissens darstellt. Insofern liegt der KI ein "Weltbild" zugrunde, das von Hasenjäger (1962, S. 30-31) als diskrete Ontologie bezeichnet wurde. Die Welt wird als aus Objekten, Eigenschaften und Beziehungen bestehend betrachtet. Ob sie es tatsächlich ist, uns nur so erscheint oder es pragmatisch günstig ist, dies anzunehmen, bleibt dabei zunächst unbeantwortet.

Insofern ist diese "diskrete Ontologie" hinsichtlich der "wirklichen Struktur" der Welt ontologisch neutral. Ihren reinsten Ausdruck findet die "diskrete Ontologie" in der Prädikatenlogik erster Stufe mit Identität. Inwiefern diese ausreichend ist oder erweitert bzw. eine ganz andere Ontologie betrachtet und entwickelt werden muß, um kognitive Prozesse zu erklären und neue Rechnerarchitekturen zu entwickeln (vgl. Winograd / Flores 1986), wird sich im Laufe der weiteren kognitionswissenschaftlichen Forschung zeigen. Die "diskrete Ontologie" ist sicherlich nur überwindbar, indem ihre Grenzen durch die Kognitionswissenschaft aufgezeigt und innerhalb der


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