des Geräusches aus der Kunst in die digitalen Samplespeicher, die zum
aufmerksamen Beobachten der rauschenden und nie stillen Welt anleiten, diese Autorisierung
aufgehoben.
24
- Vgl. Schläbitz, Norbert: Die Musik der Stille in Echtzeit oder: Computer=Sampler
Techno.
In: Enders, Bernd/Knolle, Niels (Hg.): KlangArt ’95. Musik und Neue Technologie 1.
Osnabrück 1998
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Mit dem Verständnis für das so beredte Schweigen, das die Vielzahl von ‚global-playern‘
zu zeigen vermögen, ist auch das Verhältnis zwischen Lehrendem und Lernenden außer
Kraft gesetzt und das hierarchische Verhältnis der Gleichberechtigung gewichen. So
prozediert der an das Netz angeschlossene Computer implizit als eine Technik der Kritik
an den Künstlern der Avantgarde sowie an ihrer zielgerichteten, fortschrittlich gedachten
Kunst.
Klassische Kunst der Augenblicke
Alles, was wertvoll oder auch nicht scheint, trägt – wo Impulse aus allen Richtungen
kommen und Verwirklichungen in alle Richtungen gehen können – immer einen
Mehrwert in sich, dem mit dem Netzwerk zur kunstvollen Entfaltung verholfen werden
kann. Der Schritt ins Netzwerk beschreibt so einen Prozess zur Mehrdimensionalität.
Was auf diese Weise entsteht, ist eine lebendige Kunst des Augenblicks. Gefolgt ist
damit einem Denken, das auch schon der klassischen Musik bekannt ist und nur
vom Mantel des Ewigkeitspostulats verdeckt wurde. „Es ist der Augenblick,
der lebendig macht, indem er bereitliegenden Stoff in neuem Licht erscheinen
läßt.“25
- Zender, Hans: Wir steigen niemals in denselben Fluß. Freiburg/Basel/Wien 1996, S. 74
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Das Material der Musik wird dabei so verwendet, als ob es noch nie gehört, folglich
unverbraucht und neu wäre und – in neue Kontexte eingebracht – auch neu und
unverbraucht wirkt.
Schon einst die Notation „setzt einen Prozeß endloser Differenzbildung in Gang“, was
Interpreten aus dem Notentext herauslesen ließ, „was sich der Autor nie hätte
träumen lassen.“ Und auf diese Weise „wächst der Text weiter, und erst wenn
er nicht mehr neu gesehen, umstritten und umgedeutet wird, ist er wirklich
tot.“26
Das papierene Notat trägt so eine unergründliche Fülle in sich, welche in der Zeit im
Zuge unterschiedlicher Lesarten eher wächst, denn dem Versiegen zustrebt. Die Wahrheit
des Werkes bleibt so unergründlich, und wer sie gefunden zu haben glaubt, verdankt sie
allein der Lesart seiner Zeit. Diese aber steht im Wandel, was die Wahrheit in eine
wieder andere überführt und sie so auflöst. Bedenken, Autorengeist zu verfälschen,
verlieren sich angesichts einer Wahrheit im Wandel und der damit verbundenen
Bedeutungsfülle von Werken. „[I]n jedem großem Werk steckt mehr, als sein eigener Autor
weiß.“
27
Im Entziffern von Notentexten ist so weniger die Re-Produktion denn die Neuschöpfung
– die Komposition – angelegt. Das Notat ist nie auf sich selbst zurückverwiesen, damit
nie selbsterklärend und bedeutend, sondern stets Verweisung auf anderes, das sich in der
Zeit begibt und Bedeutung gibt. „Die musikalische Syntax, in deren Rahmen
Zeichen gebraucht werden, wandelt sich. So ist es unvermeidlich, daß auch
deren graphische Symbole einem Bedeutungswandel unterliegen. [. . . ] Rezeption
von Texten ist immer