- 65 -Enders, Bernd / Stange-Elbe, Joachim (Hrsg.): Global Village - Global Brain - Global Music 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (64)Nächste Seite (66) Letzte Seite (507)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

des Geräusches aus der Kunst in die digitalen Samplespeicher, die zum aufmerksamen Beobachten der rauschenden und nie stillen Welt anleiten, diese Autorisierung aufgehoben.24
24
Vgl. Schläbitz, Norbert: Die Musik der Stille in Echtzeit oder: Computer=Sampler -->Techno. In: Enders, Bernd/Knolle, Niels (Hg.): KlangArt ’95. Musik und Neue Technologie 1. Osnabrück 1998
Mit dem Verständnis für das so beredte Schweigen, das die Vielzahl von ‚global-playern‘ zu zeigen vermögen, ist auch das Verhältnis zwischen Lehrendem und Lernenden außer Kraft gesetzt und das hierarchische Verhältnis der Gleichberechtigung gewichen. So prozediert der an das Netz angeschlossene Computer implizit als eine Technik der Kritik an den Künstlern der Avantgarde sowie an ihrer zielgerichteten, fortschrittlich gedachten Kunst.

Klassische Kunst der Augenblicke

Alles, was wertvoll oder auch nicht scheint, trägt – wo Impulse aus allen Richtungen kommen und Verwirklichungen in alle Richtungen gehen können – immer einen Mehrwert in sich, dem mit dem Netzwerk zur kunstvollen Entfaltung verholfen werden kann. Der Schritt ins Netzwerk beschreibt so einen Prozess zur Mehrdimensionalität. Was auf diese Weise entsteht, ist eine lebendige Kunst des Augenblicks. Gefolgt ist damit einem Denken, das auch schon der klassischen Musik bekannt ist und nur vom Mantel des Ewigkeitspostulats verdeckt wurde. „Es ist der Augenblick, der lebendig macht, indem er bereitliegenden Stoff in neuem Licht erscheinen läßt.“25

25
Zender, Hans: Wir steigen niemals in denselben Fluß. Freiburg/Basel/Wien 1996, S. 74
Das Material der Musik wird dabei so verwendet, als ob es noch nie gehört, folglich unverbraucht und neu wäre und – in neue Kontexte eingebracht – auch neu und unverbraucht wirkt.

Schon einst die Notation „setzt einen Prozeß endloser Differenzbildung in Gang“, was Interpreten aus dem Notentext herauslesen ließ, „was sich der Autor nie hätte träumen lassen.“ Und auf diese Weise „wächst der Text weiter, und erst wenn er nicht mehr neu gesehen, umstritten und umgedeutet wird, ist er wirklich tot.“26

26
Ebd., S. 78
Das papierene Notat trägt so eine unergründliche Fülle in sich, welche in der Zeit im Zuge unterschiedlicher Lesarten eher wächst, denn dem Versiegen zustrebt. Die Wahrheit des Werkes bleibt so unergründlich, und wer sie gefunden zu haben glaubt, verdankt sie allein der Lesart seiner Zeit. Diese aber steht im Wandel, was die Wahrheit in eine wieder andere überführt und sie so auflöst. Bedenken, Autorengeist zu verfälschen, verlieren sich angesichts einer Wahrheit im Wandel und der damit verbundenen Bedeutungsfülle von Werken. „[I]n jedem großem Werk steckt mehr, als sein eigener Autor weiß.“27
27
Ebd., S. 79
Im Entziffern von Notentexten ist so weniger die Re-Produktion denn die Neuschöpfung – die Komposition – angelegt. Das Notat ist nie auf sich selbst zurückverwiesen, damit nie selbsterklärend und bedeutend, sondern stets Verweisung auf anderes, das sich in der Zeit begibt und Bedeutung gibt. „Die musikalische Syntax, in deren Rahmen Zeichen gebraucht werden, wandelt sich. So ist es unvermeidlich, daß auch deren graphische Symbole einem Bedeutungswandel unterliegen. [. . . ] Rezeption von Texten ist immer

Erste Seite (1) Vorherige Seite (64)Nächste Seite (66) Letzte Seite (507)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 65 -Enders, Bernd / Stange-Elbe, Joachim (Hrsg.): Global Village - Global Brain - Global Music