tion, da der wandelnde Kontext, in dem zu Bedeutendes von Moment zu
Moment jeweils steht, den Wert bestimmt. So bleibt eine jede Deutung nur als
flüchtige Spur präsent und ist nicht festzumachen, denn sie verweist stets auf
anderes, was Derrida mit dem Neologismus der
differance im Unterschied zur
difference auszudrücken versuchte (und damit eine weitere umfangreiche wie
unabschließbare Spurenlese auf Zeit in Gang setzte). „Die
differance bewirkt, daß die
Bewegung des Bedeutens nur möglich ist, wenn jedes sogenannte gegenwärtige
Element, das auf der Szene der Anwesenheit erscheint, sich auf etwas anderes
als sich selbst bezieht, während es das Merkmal (
marque) des vergangenen
Elements an sich behält und sich bereits durch das Merkmal seiner Beziehung zu
einem zukünftigen Element aushöhlen läßt, wobei die Spur sich weniger auf
die sogenannte Gegenwart bezieht, als auf die sogenannte Vergangenheit, und
durch eben diese Beziehung zu dem, was es nicht ist, die sogenannte Gegenwart
konstituiert.“
21
- Derrida, Jacques: Die differance. In: Engelmann, Peter (Hg.): Postmoderne und
Dekonstruktion. Stuttgart 1990, S. 91
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Im Bewusstsein um ein unabschließbares Spurenlesen und im Bewusstsein um eine
Vergangenheit wie Zukunft vereinnahmende, ausgedehnte Gegenwart, das ‚global-player‘
im Netz implizit auszeichnet, mag sich wohl auch ein Unterschied zur Neuen Musik der
Moderne andeuten. Schließlich verstand diese sich noch fortschrittlich teleologisch. Von
dieser Idee der Progression hat sich die Kunst des Netzes verabschiedet. An ihre Stelle
ist die stete, rekursiv verfahrende evolutive Verwandlung getreten, die den Gedanken an
eine zukunftsweisende Idealität nicht mehr in sich trägt. Und schließlich: Wohin auch
sollte der grenzerweiternde Schritt in unbekannte Gefilde, die weiterführen, auch
gesetzt werden, wo die Grenze mit dem Schweigen und dem Rauschen darin
längst markiert und erreicht ist? Potentiell ist hier ja alles Musik. Mit dem
Erreichen der Grenzsteine der Musik ist aber nicht Verzicht geübt auf neue
musikalische Gestaltwerdungen und kein Stillstand beschrieben. Nur bewegt sich das
Neue nicht mehr auf ein Ziel hin, sondern wie Luhmann bildhaft ausdrückt, die
Kunst „kann weiterhin bewegt werden – wenn nicht wie ein Fluß, so wie ein
Meer.“22
- Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft, a.a.O., S. 480
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In die auf- und abwogende Breite bewegt sich also die Musik mit der Aufgabe einer
finalistisch motivierten Musikvorstellung, und Musik kann in eine neue komplexe Vielfalt
münden, da Entwicklung in alle Richtungen hin möglich ist, ohne von einer prominenten
Zielvorstellung von vornherein vom Ausschluss bedroht zu sein. Neues ergibt sich
unmittelbar aus den durch die Zufallsbekanntschaften im Netz verfügten Kopplungen des
schon Bekannten, für das Angeschlossene einen bemerkenswerten Sinn entwickeln.
Das Gewohnte aus einer anderen Perspektive wahrzunehmen, darauf kommt es
an, wobei der Zufall zur maßgeblich die neuen Ordnungen gestaltenden Größe
gerät. Der Zufall, den Cage noch mit dem Würfel- oder Münzenfall in die Musik
einzubringen suchte, ist in Gestalt anderer ‚global-player‘ gegeben, weil in diesem
globalen Spiel ohne Bühne jeder jedem zu jeder Zeit irgendwie ins Handwerk
‚pfuschen‘ kann, was dem ganzen Tun eine unvermutete, neue Richtung geben
kann. So gerät in den Blick, dem bislang der Aufmerksamkeit entzogen war.
Während es ehedem im geschlossenen Kunstsystem „irgendeine Autorisierung
[braucht], durch Cage zum Beispiel, um kenntlich zu machen, daß es sich um Musik
handelt“
23 ,
ist mit dem Auswandern