- 58 -Enders, Bernd / Stange-Elbe, Joachim (Hrsg.): Global Village - Global Brain - Global Music 
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– provokativ formuliert – der gleichmachenden Langeweile verfallen. Eine bedenkenswerte neue Information ist auf ein störendes Widerspruch leistendes Umfeld schlicht angewiesen.15
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Vgl. Schläbitz, Norbert: Die Musik der Stille in Echtzeit. In: Enders, Bernd/Knolle, Niels (Hg.): KlangArt-Kongress ’95. Musik und Neue Technologie 1. Osnabrück 1998, S. 38–40
So kann man festhalten: Wer sich um die Ewigkeit der Werte und Werke sorgt, verbannt die Gegenwart der Kunst, da in dem Glauben und in der Vervollkommnung von Regelwerken die allmähliche Erstarrung angelegt ist.

Sicher: Der alleinige Rückbezug auf die gewohnte Regel bietet ein Maß an Realität, dessen man sich sicher zu sein glaubt, was die gefundene Ordnung schön scheinen, sie genießen und daran allzu gern festhalten lässt. Der regelgerechte, homophone Gleichschritt ist gesucht, wo allerdings – und daran ist zu erinnern – die Kunst von jeher doch diesem sich verweigerte und zum Glück ja auch stets auf die produktive Störung durch Einspruch nehmende Instanzen bauen konnte, die Regeln verletzten, indem sie neue setzten.

Im Netz geht jeder seinen eigenen, individuellen Weg, indem er zu informieren trachtet und weniger mitzuteilen. Die Musik, die so erklingt, ist im positiven Sinne fragwürdig, weil sie fragwürdig bleibt und zum neuen Fragen verleitet. Das Aufdecken von Regelwerken geschieht im Prozess der Fortentwicklung, wobei im Fort die Regel als eine trügerische Wahrheit sprechende entlarvt ist, da sie sich als praktisch aufgeprägt und beileibe nicht innewohnend erweist.

Mit dem steten Fort- und Neuschreiben ist Bedeutendes seines dauerhaften Wertes enthoben und Bedeutung ganz offensichtlich verschoben, welche sich aus einer geordneten, scheinbar statischen Umwelt herleitet und die nun durch Verschiebung ordentlich in Unordnung gebracht wurde.

Die Bedeutung einer Musik erweist sich als ein Vorschlag, nie zeitlos ewig, sondern aus der aktualen Situation geboren, die sich von Augenblick zu Augenblick nicht-identisch darstellt, weil jeder Moment für sich allein recht einzigartig ist. Wo sich aber einzigartige Momente aneinanderreihen und Nicht-Identisches aufeinanderfolgt, ist selbst dort, wo man die Wiederholbarkeit von bedeutenden Regeln proklamiert und darauf baut, die Bedeutung von Moment zu Moment verschoben und keine Regel universal dauerhaft. Mit anderen Worten: Eine jede Regel und jede Bedeutung, die in der Zeit sich fortschreibt, erfährt im Vollzug ihrer Fortschreibung ohnehin unbemerkt gleichsam ihre Neuschreibung, und das erhält das Leben der Regeln, denn was endgültig verharrte und in sich ruhte, ist zum Leben nicht mehr befähigt in einer sich stetig wandelnden Welt.

Bedeutung wird permanent neu ausgehandelt in der Praxis, indem Nicht-Identisches geregelt und somit identifiziert wird und die Regeln im Vollzug ihrer permanenten Aktualisierung, bezogen auf das Nicht-Identische, obligatorisch auf Veränderung angelegt sein müssen. Die Regel erscheint im Medium des Nicht-Geregelten als vorläufige Zeiterscheinung, wobei das Nicht-Geregelte als Überschuss an Möglichkeiten auf die Kontingenz derselben verweist.

So haben wir ein Polaritätengefüge, das einander bedingt: Jegliche Beharrungstendenz ist in der fließenden Veränderung angelegt, und die Veränderung auf ihr ruhendes Gegenteil, das sie zum Widerspruch reizt, sodass das eine im anderen seine komplementäre Ergänzung findet. Diese Zweiwertigkeit offenbart, da der Abstand zwischen Manifestation und Konstruktion immer neu ausgehandelt wird, gleichsam


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