ter par excellance ist das verräterische Medium schlechthin,
indem er die Kunst aus den Zirkeln einer ehemaligen Geheimwissenschaft
herausführte in die offene, soziale Gemeinschaft. Er macht alle Kunst, indem er
den Zugriff erlaubt, öffentlich und – wenn man so will – gemein. Neue Medien
befördern die Breitenwirkung und, indem sie solches leisten und verstehend
teilnehmen lassen, verallgemeinern sie. Sie lassen an Wissenswelten teilhaben,
die bislang ein Geheimnis umgab, das nur wenige zu lesen verstanden. Jede
Veröffentlichung ist daher, wie Flusser schreibt, ein Geheimnisverrat. „Wenn man ein
Geheimnis divulgiert [= Geheimnis verraten, N.S.], weiht man nicht ein, sondern
entweiht.“14
Das Netzwerk verleitet schließlich zu einer den begrenzten sozialen Raum übergreifenden Pragmatik, sprich zum globalen Handeln, das die ganze Welt selektiv neu qualifizieren lässt. Mit dem Einschalten des Computers zum einen und zum anderen dem Schritt in die Welt des Netzes, mit dem das interaktive Streben dominant gesetzt ist, erhalten Lernende die Möglichkeit zur Selbstbeschulung in einem Raum, der die ortsgebundene Bühne des Konzerts mit der dort sich abspielenden Kunst auflöst in ein ausgedehntes Forum von Knotenpunkten. Das Ergebnis sind dann verflüssigte musikalische Werke ohne innewohnende Autorität, was das Ansinnen der Avantgarde Ernst nimmt und in die Praxis überführt hat. Man könnte verleitet sein, in diesem Spiel mit dem Netz und im Netz einen Prozess der zunehmenden Entdifferenzierung sehen, der eine Nivellierung von Unterschieden betreibt, da man in den flüchtig gezeichneten Spuren nur den kleinsten gemeinsamen Nenner vermutet, wo doch zuvor gravierende Unterschiede in Werkwelten verborgen schienen. Doch das Gegenteil ist der Fall, denn eine solche Argumentation verkennt folgendes: Schließlich vollzieht sich – wenn man einmal genau hinsieht – Entdifferenzierung auf Dauer dort, wo allein auf einen prominenten Unterschied unter Ausschluss möglicher anderer gesetzt wird. Die Exklusivität einer Richtung verkümmert auf Dauer in der Redundanz, wo die Argumente wie in einer Kreisbahn nur sich gegenseitig zu stützen bestrebt sind und zugleich die Kritik auf Veränderung vom Verstummen bedroht ist. Im Ergebnis gründet dies in einer gedanklichen Einstellung und befördert auch eine solche, die die unverwechselbare Idee proklamiert und verabsolutiert, denn über die Richtung ist man sich im Grunde einig, nur über das Detail wird noch gestritten. Die Blickrichtung auf die Idee aber vernachlässigt das links und rechts jenseits der gepflegten Ideenvorstellung und verstellt den Blick auf mögliche andere gangbare Richtungen. Denn gleich einem Archäologen wird sodann im Zuge der Bedeutungserschließung in den Tiefen der feste Halt des So-und-nicht-anders gesucht und dabei der Blick für das lebendige Anders-Sein, das an der Oberfläche unbenommen oszilliert, vergessen. Der anderes ausschließende, gelingende Selbsterhalt einer einmal getroffenen Entscheidung muss, wo nicht in den Prozess der argumentativen Selbstbestätigung eingegriffen wird, schließlich – konsequent zu Ende gedacht – der Uniformität und |