- 390 -Enders, Bernd / Stange-Elbe, Joachim (Hrsg.): Global Village - Global Brain - Global Music 
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Forderung: Wir benötigen konkrete und dem Werk adäquate, immanente Analysewerkzeuge, nicht nur abstrakte oder brutal normative Prinzipien.

Diese Aufgabe wurde in der Design-Phase der RUBATO-Software durch Rückgriff auf den Begriff des lokalen Metrums angegangen. Ein lokales Metrum M ist eine endliche Folge von k Einsatzzeiten E0,E1,...,Ek, die in einem konstanten Zeitabstand d, der Periode, aufeinander folgen, also E1 = E0 + d, E2 = E1 + d, etc., Ek = Ek-1 + d. Dabei heißt k die Länge l(M) von M. Dies ist die einzige vorausgesetzte Elementarstruktur dieses Ansatzes.

Man geht dann davon aus, daß man eine Gestalt im Sinne von Ehrenfels (und im Geist der aristotelischen Einsicht) durch Übersummativität zu beschreiben hat. Hier ist also eine metrische Gestalt zu erfassen, und dies wird im Sinn der Mathematischen Musiktheorie19

19
Mazzola, Guerino: Geometrie der Töne. Birkhäuser, Basel 1990.
durch Betrachtung einer speziellen globalen Komposition erfüllt: Man überdeckt die Menge EX der Einsatzzeiten eines bestimmten Musikausschnitts X durch alle überhaupt möglichen maximalen lokalen Metren, deren Einsatzzeiten den tatsächlich auftretenden Einsatzzeiten der Events des Ausschnitts entsprechen. Dieser quasi-geographische Atlas von lokalen Metren erlaubt es zu erfassen, wie viel mehr das Ganze X als die Teile, nämlich diese ,Karten‘ der maximalen lokalen Metren ist.

Wir gehen also im Geist von Hugo Riemann20

20
Riemann, Hugo: System der musikalischen Rhythmik und Metrik. Breitkopf und Härtel, Leipzig 1903, p. 8.
davon aus, daß Zählzeiten unter allen Umständen erst reale Existenz durch ihre Inhalte gewinnen und nicht, wie in der GTTM, durch u.U. in den Events nicht existierende Einsatzzeiten. Der Inhalt ist hier durch die effektiv vorhandenen Events definiert.

Dabei ist es aber unerlässlich zu spezifizieren, welche Events der Komposition man für X auswählt. Man muß deklarieren, welche Sorte von Noten man betrachtet: Violinnoten, Klaviernoten, oder nur Viertelnoten, aber von allen vorhandenen Instrumenten, oder dann auch Taktstriche, Pausen, etc. Jede wohldefinierte Auswahl ist zugelassen, solange sie ganz genau definiert ist. Diese Deklarationspflicht für die verwendeten Material-Vorgaben ersetzt die Vagheiten der GTTM, erlaubt es aber auch, viel allgemeinere Materialien aufzustellen. Man kann damit auch schon gegebene Atlanten benutzen, um in deren Karten die maximalen lokalen Metren zu eruieren. So kann man in einem Streichquartett die vier Karten der beiden Violinen, der Viola und der Bratsche betrachten und jeweils maximale lokale Metren nur innerhalb dieser Karten wählen. Die allgemeine Systematik dieser Prädikation ist theoretisch in der Theorie der Prädikate auf Denotatoren beschrieben, wir verweisen hier lediglich auf laufende Arbeiten21

21
Implementierung der prädikativen Semantik in RUBATO durch die VW-Nachwuchsgruppe Mathematische Musiktheorie an der TU Berlin.
und in Arbeit stehende Publikationen22
22
Mazzola, Guerino: The Topos of Music. Erscheint bei Birkhäuser, Basel.
.

Man kann nun die Metrik von X als das System der Überdeckung von X durch die maximalen lokalen Metren definieren. Metrik wird damit zu einem globalen Phänomen, das in jeder Einsatzzeit e durch die Konfiguration aller e enthaltenden maximalen lokalen Metren spezifiziert ist: Jede Einsatzzeit „weiß“ von der Metrik das, was ihr diese Konfiguration an metrischen Elementargestalten „verrät“.


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