- 188 -Enders, Bernd / Stange-Elbe, Joachim (Hrsg.): Global Village - Global Brain - Global Music 
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wurde der Klangunterschied negativ bewertet: „[. . . ] der digital verarbeitete bzw. auf der CD gespeicherte Ton klinge unnatürlich, steril, scharf und leblos wie aus einer Tiefkühltruhe“27
27
Attila Czampai, Musikalische Begegnung der dritten Art: Technische, ästhetische und ökonomische Aspekte des „compact disc digital audio system“, in: Hans-Klaus Jungheinrich (Hg.), Ästhetik der Compact Disc, Kassel u. a. 1985, S. 86.
. Über die Ursachen für den veränderten Klangeindruck indes bestand zunächst keine Einigkeit. Zum Teil wurden sie in der Unzulänglichkeit der neuen Technik gesehen, zum Teil – was im Nachhinein zutreffender erscheint – in nicht angepasster Mikrofonaufstellung.

Jedenfalls führt die Digitaltechnik zu Veränderungen in der Aufnahmepraxis. Vor allem zwei Aspekte werden diskutiert: der Abstand der Mikrofone zu den Schallquellen und der Umgang mit Stützmikrofonen. Weil Digitalaufnahmen präsenter wirken, stellt man die Mikrofone in größerer Entfernung der Schallquellen auf: So versucht man durch einen größeren Anteil an Diffusschall die verlorene Klangverschmelzung zurückzugewinnen. Der Einsatz von Stützmikrofonen wird problematisiert, da in ihnen die Gefahr einer Beeinträchtigung der Räumlichkeit gesehen wird. Verfahren zum räumlichkeitsschonenden Einsatz von Stützmikrofonen werden entwickelt und die Hauptmikrofone erhalten größeres Gewicht.

Beide beschriebenen Veränderungen in der Aufnahmepraxis weisen in dieselbe Richtung: Sie sind getragen von dem Bemühen die akustischen Eigenschaften des Aufnahmeraums und die Anordnung der Schallquellen im Raum akustisch abzubilden. Das Kriterium der Natürlichkeit hat damit noch höhere Bedeutung gewonnen. Besonders deutlich drückt dies 1983 Jecklin aus, wenn er fordert, man müsse „endlich zu folgendem Grundsatz finden: Natürliche Musik muß auch ,natürlich‘ aufgenommen werden!“28

28
Jürg Jecklin, Compact disc digital audio – eine Herausforderung für den Tonmeister, in: Hi-Fi-Stereophonie 1983, S. 266.
Durch die Einführung der Digitaltechnik hat nicht nur die Orientierung am Konzerterlebnis, sondern auch die akustische Ausrichtung an der realen Musiziersituation eine Stärkung erfahren.

3.  

Aus der vorangegangenen historischen Betrachtung lassen sich vier Thesen ableiten:

  1. Technische Entwicklungen waren ebenso wie Erfahrungen aus der gestalterischen Praxis Antrieb für die klangästhetische Reflexion der Musikübertragung.

    Dies ist im Zusammenhang mit den wichtigsten technischen Innovationen zu beobachten: Der Übergang von der mechanischen zur elektrischen Aufnahmetechnik löste etwa die Überlegung aus, wie Raumschall in die Aufnahme einzubeziehen sei. Nach Einführung der Langspielplatte wurde das bis dahin unangefochtene Ideal der Naturtreue als problematisch empfunden und diskutiert; die Stereofonie stellte neue Möglichkeiten der aufnahmetechnischen Gestaltung bereit und führte so zu Versuchen, die Partitur mit elektroakustischen Mitteln zu interpretieren. Und die Digitaltechnik als letzte größere


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