- 18 -Enders, Bernd / Stange-Elbe, Joachim (Hrsg.): Global Village - Global Brain - Global Music 
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Das Schlagwort Global Village macht da Sinn, wo es auch tatsächlich Realität ist: Im Bereich der großen multinationalen Konzerne, die ihre Aktivitäten weltweit koordinieren, Mitarbeiter und Fertigungskapazitäten quer über den Globus verlegen, auf veränderte politische Verhältnisse um Dimensionen schneller reagieren als die politischen Apparate es können. Daß die Großkonzerne bzw. die sogenannten wirtschaftlichen Fakten es auch sind, die zunehmend die politische Souveränität der ärmeren Länder, aber nicht nur dieser, beeinträchtigen7

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Vgl. Spiegel spezial 2/1991: Bericht des Club of Rome 1991, Die Globale Revolution. S. 20ff., S. 103ff.
, ist eine besorgniserregende Entwicklung. Finden wir uns eines Tages in einem Global Village wieder, in dem wir bei der Geburt gentechnisch untersucht, aussortiert, je nach Qualität für eine bestimmte berufliche Laufbahn in der World Wide Commercial Company vorgesehen, unser Gehirn auf Konformität mit dem Global Brain konditioniert, mit dem oder den genetisch passend ausgesuchten Partnern gepaart, mit Berieselung durch Global Music bei Laune gehalten – und schließlich bei Erreichen des Reparaturanfälligkeitsalters unsere körperlichen Bestandteile einem effizienten Recyclingsystem zugeführt werden?

Die globalen Schlagwörter sind natürlich auch da zutreffend, wo zum Beispiel ein New Yorker Medienmanager das Vermarktungspotential einer bisher unbekannten Ethno-Musikgruppe aus Südwestafrika für den nordeuropäischen Markt richtig analysiert, richtig: weil er global denkt – Global Brain – und mit seiner Werbekampagne dazu beiträgt, Global Music herzustellen im Sinne einer Verfügbarkeit von nahezu jeder akustisch-musikalischen Äußerung der Menschheit an jedem beliebigen Ort der Welt, vorausgesetzt, an diesem Ort befindet sich genügend freie Kaufkraft. Letzteres impliziert sowohl finanzielles freies Kapital als auch vorhandenes oder stimulierbares Kaufinteresse; stimulierbares oder bereits vorhandenes Interesse impliziert wiederum das Vorhandensein eines kognitiven Apparats, den wir als Brain bezeichnen. Wenn das Brain des New Yorker Managers das Interesse von nordeuropäischen oder anderen Brains richtig einschätzen will, muß es dazwischen irgendeine Form von direkter oder indirekter Interaktion und Informationsleitung geben. Insofern befinden wir uns längst in einem Zustand des Global Brain auf einer sozusagen langsamen und lückenhaften Stufe. Die meisten Kognitionswissenschaftler würden allerdings analog zu dem über Sprache Gesagten von einem im menschlichen Sinne vorhandenen Denken erst sprechen, wenn das Denken über das Denken möglich geworden und vorhanden ist. Dazu tritt in letzter Zeit zunehmend die Erkenntnis, daß Denken sehr viel Eigenschaften eines autopoietischen Systems aufweist, und daß zweitens zur Entstehung des Denkens bzw. geistiger Weltbildung die soziale Komponente unumgänglich erforderlich ist; wir können „das menschliche Bewußtsein nur durch die Sprache sowie durch den gesamten sozialen Kontext verstehen, in den diese eingebettet ist.“8

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Maturana, zitiert bei Capra 1996, S. 329.

Heutzutage wird das Schlagwort vom Global Brain von den meisten Menschen wohl in erster Linie in einem technologischen Sinne verstanden. Die Vision MacLuhans und anderer vom „Zusammendenken“ der weltweit kommunizierenden Menschen ist in den Schatten gedrängt worden zugunsten von Ideen eines Marvin


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