- 17 -Enders, Bernd / Stange-Elbe, Joachim (Hrsg.): Global Village - Global Brain - Global Music 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (16)Nächste Seite (18) Letzte Seite (507)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

uns gegenwärtig in Form von Handy und WorldWideWeb überrollt – oder, ganz nach Standpunkt, erfreut.

Viertens, um auf die impliziten Trugschlüsse des Global Village Schlagworts zurückzukommen, wird einfach verdrängt, daß selbst in einem Zustand wie dem sich durch das WWW abzeichnenden, also bei einer direkten und zweiseitigen Kommunikation zweier Individuen an beliebigen Punkten der Welt, noch immer nicht von echter Kommunikation gesprochen werden kann, sofern nicht diese zwei Individuen über den gleichen Metacode, also die gleiche Lebenswelt oder den gleichen Handlungsrahmen verfügen. Kommunikation im Sinne menschlicher Sprache (also über eine reine Verhaltenskoordination hinausgehend, wie sie im Tier- und selbst Pflanzenreich ja auch zu beobachten ist) ist definiert als Eintreten der Möglichkeit, daß das „Sprechen über Sprache“ möglich wird, oder wie es Maturana5

5
Vgl. Capra 1996, The Web of Life. Dt. 1996: Lebensnetz. Ein neues Verständnis der lebendigen Welt. Wissensch. Buchgesellschaft Darmstadt.
genannt hat, der „Prozeß des in-der-Sprache-seins“ eintritt.

Analysiert man die typischen „Net-Chats“ bzw. e-mails – was zur Zeit ein beliebtes Thema für soziologische und psychologische Dissertationen zu sein scheint – so stellt man eine erschreckende kommunikative Verarmung in qualitativer Hinsicht fest, von rein fachlichen Informationsdialogen einmal abgesehen.

Abgesehen davon zeigen auch schon die kommunikativen Probleme, die wir in praktisch allen Großstädten der Welt mit ihren ethnisch unterschiedlichen Vierteln beobachten können, daß eine vorhandene Möglichkeit der direkten Kommunikation noch bei weitem nicht Indikator für ein Zustandekommen ist noch etwas über das qualitative Niveau einer eventuell zustande gekommenen Kommunikation aussagt. Hier sind im wesentlichen andere Barrieren zu überwinden, bevor Kommunikation erst beginnen kann, wie Pierre Bourdieu und andere Soziologen gezeigt haben.

Wenn wir euphemistisch annehmen, daß die immer billiger werdende Computerhardware zu einem Zustand führen wird, in dem alle Menschen am WWW teilhaben (können) und somit dem Zustand eines Global Village zumindest potentiell einen Schritt näher gerückt sind, unterliegen wir einem weiteren Trugschluß, auf den der Soziologe Amitai Etzioni deutlich hingewiesen hat: „Dem Streben von sechs Milliarden Menschen nach Wohlstand (worauf der globale Wettbewerb unterschwellig abzielt) liegt die Annahme zugrunde, die Erde sei imstande, einen Zustand zu verkraften, der in einer amerikanischen Stadt herrscht (eine Richtung, die beispielsweise von China und Indien eingeschlagen wird), und daß dies eine Welt sein könne, in der die Menschen allgemein zufrieden sind.“6

6
Etzioni 1996: The New Golden Rule. Dt. 1997: Die Verantwortungsgesellschaft. Individualismus in der heutigen Demokratie. Campus Verlag Frankfurt/New York. S. 124.

Der sympathische, fast anarchische und basisdemokratische Zustand des heutigen WWW täuscht uns allzuleicht über das Paradox hinweg, daß die Funktionsfähigkeit des WWW bzw. des Internet nur gewährleistet wird durch die gigantischen industriellen, merkantilen und auch militärischen Apparate, die im Hintergrund die Infrastrukturen bereitstellen und weiterentwickeln, die Funktionsvoraussetzung für das Internet sind – dies gilt genauso für die älteren Kommunikationsnetze des Telefons und des Rundfunks.


Erste Seite (1) Vorherige Seite (16)Nächste Seite (18) Letzte Seite (507)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 17 -Enders, Bernd / Stange-Elbe, Joachim (Hrsg.): Global Village - Global Brain - Global Music