Es wurden vier Lieder gesungen, zusätzlich Die Lorelei in Deutsch, der ersten Fremdsprache in
der französischen Schweiz. Dieses Lied hatten die Mädchen in ihr Heft geschrieben. Das war
die zweitunterste Klasse in der Schule; die oberste ist die Klasse I. Hier ist ein früher
Schulanfang die Regel; im Sommer gibt M. Kling eine Lektion um 7 Uhr morgens. Er erzählte
mir, daß das Chevé-System seit vierzig Jahren in Genf gelehrt wird. Es muß eine natürliche
Sympathie dafür geben, weil Rousseau, ein Genfer Bürger, als erster eine Ziffern-Notation
herausbrachte.

Klasse I.

Wir gingen als nächstes zur ersten oder höchsten Klasse der Schule hinüber. Hier waren
Mädchen mit aufgesteckten Haaren, die mit ihren 'Bibliotheken' von Schulbüchern höchst
geschäftig aussahen. Fünfunddreißig 18- bis 19jährige waren anwesend. M.Kling begann mit
einem unterhaltsamen biographischen und kunstwissenschaftlichen Diskurs über Hector Berlioz,
der zur Weckung des Interesses an seiner Musik gedacht war. Die Schülerinnen machten
Notizen, sauber mit Tinte geschrieben, mit Randüberschriften für die Hauptpunkte.
Vorkommende Untertitel und Werktitel in M.Klings Vortrag schrieb er an die Tafel, damit die
Schülerinnen die richtige Schreibweise hätten. Von einer Schülerin lieh ich mir ein Musikheft
aus und sah, daß M.Kling über alle klassischen Komponisten in historischer Reihenfolge
vorgetragen hatte. Diese Lektion dauerte zwanzig Minuten. Wie in der vorigen Klasse saß die
Klassenlehrerin an ihrem Pult und strickte, während M.Klings Arbeit weiterging. Jetzt kam das
Liedersingen, alles nach Linien-Notation. <136> Die Lieder waren dreistimmig und sehr
melodisch. Die Tonhöhe wurde bemerkenswert gut eingehalten; sogar in dem langen Les
Enfants du Pays, einem Arrangement mit neuem Text von Adolphe Adams populärem
"Comrades' Song of Hope". [Vgl. S.216]