- 16 -Curwen, John Spencer: Schulmusik im Ausland 
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mehrere von Mendelssohns Chorliedern "im Freien zu singen" mit ausgefeilter Phrasierung und
Ausdruck gesungen. Das hohe Register der Jungen war gut entwickelt, - sie sangen bis zum b
hinauf, ohne Anstrengung und mit reinstem Ton.

Meinen letzten musikalischen Eindruck in Berlin gewann ich im Dom (der lutherischen
Kathedrale) an einem Sonntagmorgen. Ich war vor achtzehn Jahren dort gewesen, und ich
konnte keine Zeichen des Fortschritts erkennen. Ein langes, schmuckloses Gebäude
- übertrieben schlicht - mit einer rundumlaufenden Empore. Die Empore hinter dem Altar ist
dem Chor und der Orgel vorbehalten. Durch das Messinggitter kann man gerade eben die 100
Männer und Jungen sehen. Der Gottesdienst begann mit dem ziemlich nachlässigen Absingen
einer Motette. Trotzdem war die Zartheit der Jungenstimmen bemerkenswert; es war ein sehr
reiner Gesang. Die Choräle wurden von der Orgel geführt, oder besser: angetrieben,
außerdem noch durch einen Vorsänger von der Art, wie sie früher in Schottland vorkamen.
Dieser Mann stand im Chor hinter der Brüstung und hämmerte mit seiner ganzen Kraft los.
Dieses Durchziehen war furchterregend. Sobald die Gemeinde einen Ton erreicht hatte, setzte
der Vorsänger den nächsten an. Da Choräle im allgemeinen schrittweise fortschreitende
Melodien haben, war das Ergebnis eine Reihe aufeinanderfolgender Sekunden, die in keiner
Weise erfreulich war. Die große Gemeinde sang wenig beherzt, - die Männer sangen fast gar
nicht. Insgesamt war der Choralgesang im Berliner Dom sehr enttäuschend.


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