Bis zur Verbreitung des Mobiltelefons war Telefonieren eine private, eine »intime
Praxis«.59
Man telefonierte zu Hause, in einem geschlossenen Raum, meist bei geschlossener Tür.
Nur geschäftliche Telefonate wurden teilweise im Beisein anderer geführt, beispielsweise
im Großraumbüro. Telefonieren konnte man aber natürlich auch in der Öffentlichkeit: in
der Telefonzelle. Wie am Namen ›Zelle‹ schon zu erkennen ist, handelte es sich
dabei um einen abgeschlossenen Raum, in dem man ungestört und vor allem
ungehört sprechen konnte. Wenn man sich dagegen heutige öffentliche Fernsprecher
ansieht60
Falls man überhaupt noch einen zu sehen bekommt, denn im Handyzeitalter hat die
Telefonzellendichte rapide abgenommen.
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fällt auf, dass es diesen vor fremden Ohren geschützten Ort nicht mehr gibt, statt dessen
wurden zu allen Seiten offene Säulen mit Telefonapparaten aufgestellt. Wie
kommt es, dass sich darüber niemand beschwert, dass es nicht mal jemandem
auffällt? Der Grund ist, dass wir uns so daran gewöhnt haben, Menschen
mit Mobiltelefonen lauthals in der Öffentlichkeit telefonieren zu sehen und
vor allem zu hören. Durch das Handy wurde Telefonieren zur »öffentlichen
Praxis«61 .
Oft wird man unfreiwillig Zeuge äußerst privater Telefongespräche, etwa weil der Sitznachbar
im Zug völlig ungehemmt mit seiner Freundin telefoniert. Vor einigen Jahren stieß dieses
Verhalten auf starke Ablehnung – oder wurde zumindest mit Erstaunen zur Kenntnis
genommen. Für intime Kommunikation ohne Zuhörer hat sich ein neues Medium gefunden:
die SMS.62
Kurznachrichten werden auch von vielen Künstlern in ihren
Werken genutzt, zum Beispiel als zentraler Werkbestandteil bei
Text.FM.63
Vgl. Burkart 2002, S. 149
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Doch durch den Gebrauch des Mobiltelefons verwischt nicht nur die Grenze zwischen Öffentlich
und Privat zusehends, analog dazu verschwimmt die Trennungslinie zwischen Berufs- und
Privatleben.64
Vgl. Gant, Diana und Kiesler, Sara: Blurring the Boundaries: Cell Phones, Mobility, and the
Line between Work and Personal Life. In: Brown, Harry u.a.(Hg.): Wireless World. Social
and Interactional Aspects of the Mobil Age. Springer, London, 2002, S. 121 ff.
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Die technische und die gesellschaftliche Entwicklung gehen dabei Hand in Hand: Der
flexible, globalisierte Kapitalismus benötigt immer und überall verfügbare und
erreichbare Mitarbeiter – und das Mobiltelefon ermöglicht dies.
Alles zuvor genannte kann man unter dem Themenkomplex Grenzverlust zwischen
Privat und Öffentlich zusammenfassen. Das Handy steht mit dieser Entwicklung in einer
längeren Tradition: Schon der Walkman war ein Produkt in einer langen Linie von
technischen Innovationen, die die Unterteilung in privaten und öffentlichen
Raum herausforderten. Für den Walkman wurde bereits die Art und Weise
untersucht, »in which the Walkman use breaks with established representations
of public and private space and how its status as ›matter put out of place‹
– being both public and private at the same time and hence neither simply
public nor simply private – leads to attempts by institutions to regulate its
usage.«65
du Gay, Paul u.a.: Doing Cultural Studies. The Story of the Sony Walkman, London [u.a.],
1996. S. 5
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Und
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