wonderful
irony of turning the enemy into your soldier . . . The enemy is making the music
now.«51 Das
Spannungsverhältnis zwischen Handy und Konzertsaal hat auch andere zu Werken der Handymusik
inspiriert.52
Das Werk Spring Cellphony des Komponisten Simon Turner und des Autors Marcus Moore
nutzte auch das Handy als Instrument. Das auf dem Cheltenham Music Festival im Juli
2002 vorgestellte Werk arbeitete mit 30 Mobiltelefonen und bezog das Publikum mit ein.
Vgl. Swanson, Sandra: One ring to bind them all: Serious musicians are using cell phones
as instruments. In: Informationweek, http://www.informationweek.com, 24.04. 2002 (Stand
08.08.2003)
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Warum ist das Klingeln von Handys an Stätten der Hochkultur ein
Sakrileg?53
Gertrud Lehnert berichtet von der Aufführung eines Tanzstückes im Sommer 1998 in Berlin,
während dessen plötzlich ein Mobiltelefon klingelte. Das Publikum war peinlich berührt und
geschockt ob dieses Fauxpas – bis der Tänzer ein Handy aus der Tasche zog, den Anruf
entgegennahm und seinem Gesprächspartner sagte, er könne leider gerade nicht, da er mitten
im Pas de deux sei. Das Mobiltelefon war also Teil der Inszenierung – was die Zuschauer mit
erleichtertem Lachen quittierten. Vgl. Lehnert, Gertrud: Mit dem Handy in der Peepshow.
Die Inszenierung des Privaten im öffentlichen Raum. Berlin, 1999, S. 9
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Der Gebrauch von Mobiltelefonen lässt die Grenzen zwischen Öffentlich und
Privat verschwimmen. Telefonieren als intime Praxis wird an öffentliche
Orte getragen. Handyklingeln kündigt ein eingehendes Telefonat an –
und Mobiltelefonieren in der Öffentlichkeit verletzt Kommunikations- und
Höflichkeitsregeln54
Es gibt eine Webseite, deren Ziel ist, die Höflichkeit zwischen Handybesitzern und den sie
umgebenden Menschen zu fördern. Vgl. www.cellmanners.com (Stand 08.08.2003)
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die sich über lange Zeit in der Gesellschaft herausgebildet haben. Telefonieren in der
Öffentlichkeit gehört dazu. Es gibt Orte, an denen die Regelbrechung stärker ist
als an anderen Orten. Wenn mitten in einem Symphoniekonzert ein Handy
klingelt und der Besitzer das Gespräch auch noch annimmt, hat das andere
Konsequenzen55
Der New Yorker Stadtrat will in Zukunft das Telefonieren in Museen, Konzerten, Kinos,
Theatern, Bibliotheken und ähnlichen Orten verbieten und Verstöße dagegen mit 50 Dollar
Strafe ahnden. Vgl. Corinth 2003
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als wenn das gleiche an einem belebten öffentlichen Ort passiert. Werke
der Handykunst und -musik, die mit (klingelnden) Mobiltelefonen in
Galerien und Konzertsälen arbeiten, machen auf diese Situationen mit
starker »sozialer Regelstruktur« aufmerksam, in denen die »kommunikativen
Regeln«56
klar festgelegt und Regelübertretungen stark sanktioniert werden. Am anderen Ende der
Skala finden sich Situationen, die eher »sozial unstrukturierte [. . . ] amorphe
Massenansammlungen«57 sind, wie
zum Beispiel auf einem Bahnsteig.58
Damit arbeiten beispielsweise Werke, die der unspezifischen Masse die Möglichkeit geben ihre
privaten SMS-Nachrichten auf eine Videoleinwand zu senden. »Urban Diary« beispielsweise
zeigt das Spannungsverhältnis zwischen öffentlich und privat schon im Titel des Werks an, ein
Tagebuch ist normalerweise privat, die Stadt aber öffentlich. Beim Gewinner des Wettbewerbs
für die künstlerische Gestaltung des Hauptbahnhofes Berlin konnten die Teilnehmenden
SMS senden, die 24 Stunden später auf einer Leinwand (an einem Bahnsteig) mit einem
riesengroßen Handydisplay gesendet wurden. Vgl. N.N.: urban diary. In: page 02.2002, S.12
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Doch neben diesem Tabubruch verfolgt Dialtones auch das Ziel sich im Feld der
Hochkultur zu positionieren, was beispielsweise an der Wahl des Aufführungsorts und
des Titels des Werks sowie dem Aufbau in Form einer klassischen Symphonie, zu
erkennen ist. Golan Levin will sich ganz explizit von der Popkultur der Klingeltöne
abgrenzen. Welche Entwicklung führte dazu, dass neue Regeln ausgehandelt werden
müssen?
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