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lieblichsten Kühle und Genauigkeit. Der Geist eines Violinisten von Weltruf spielte, wie hinter Schleiern, zu einer Klavierbegleitung die trocken klang wie Spinett, eine Romanze von Rubinstein. Aus der sacht kochenden Wundertruhe drangen Glockenklänge, Harfenglissandos, Trompetengeschmetter und Trommelwirbel. Schließlich wurden Tanzplatten eingelegt. Sogar von dem neuen Import war schon ein und das andere Beispiel vorhanden, im exotischen Hafenkneipengeschmack, der Tango, berufen, aus dem Wiener Walzer einen Großvatertanz zu machen. Zwei Paare, des modischen Schrittes mächtig, zeigten sich darin auf dem Teppich. Behrens hatte sich zurückgezogen, nachdem er die Vermahnung erteilt, jede Nadel nur einmal zu benutzen und die Platten »ganz ähnlich wie rohe Eier« zu behandeln. Hans Castorp bediente den Apparat.

Warum gerade er? Es hatte sich so gemacht. Mit gedämpfter Kurzangebundenheit war er denjenigen entgegengetreten, die nach des Hofrats Weggang den Nadel- und Plattenwechsel, die Ein- und Ausschaltung des Triebstroms hatten in die Hand nehmen wollen. »Lassen Sie mich das tun!« hatte er gesagt, indem er sie beiseite drängte, und sie waren ihm gleichmütig gewichen, erstens, weil er die Miene hatte, als ob er von längerer Hand her sich auf die Sache verstände, dann aber, weil ihnen sehr wenig daran gelegen war, an der Quelle des Genusses tätig zu sein, statt sich bequem und unverbindlich damit bewirten zu lassen, solange es sie nicht langweilte.

Nicht so Hans Castorp. Während der Vorführung der neuen Erwerbung durch den Hofrat hatte er sich still im Hintergrunde gehalten, ohne Lachen, ohne Beifallsrufe, aber die Darbietungen, gespannt verfolgend, indes er nach gelegentlicher Gewohnheit mit zwei Fingern an einer Augenbraue drehte. Mit einer gewissen Unruhe hatte er im Rücken des Publikums mehrfach den Standort gewechselt, war ins Bibliothekszimmer getreten, um von dort zu lauschen, und hatte sich später, Hände auf dem Rücken und mit verschlossenem Gesichtsausdruck, neben Behrens aufgestellt, den Schrein im Auge, den einfachen Dienst daran erkundend. In ihm hieß es: >Halt! Achtung! Epoche! Das kam zu mir!< Die bestimmteste Ahnung neuer Passion, Bezauberung, Liebeslast erfüllte ihn. Dem Jüngling im Flachland, dem beim ersten Blick auf ein Mädchen Amors widerhakiger Pfeil unverhofft mitten im Herzen sitzt, ist nicht gar anders zumute. Eifersucht beherrschte sofort Hans Castorps Schritte. Öffentliches Gut? Schlaffe Neugier hat weder Recht noch Kraft, zu besitzen. »Lassen Sie mich das tun! « sagte er zwischen den Zähnen, und sie waren es ganz zufrieden. Sie tanzten noch ein bißchen nach leichtgeschürzten Piecen, die er laufen ließ, verlangten auch noch eine Gesangsnummer, ein Opernduett, die >Barkarole< aus >Hoffmanns Erzählungen<,


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