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Seite 8 - E.T.H. Hoffmann: Die Fermate


Sieh mich jetzt in Konzerten und Opern, sieh mich in aller möglichen Musik schwelgen – sieh mich als fleißigen Correpetitore am Flügel, Arien, Duetten und was weiß ich sonst einstudieren. Du merkst es dem ganz veränderten Wesen an, daß ein wunderbarer Geist mich durchdringt. Alle kleinstädtische Scheu ist abgeworfen, wie ein Maestro sitze ich am Flügel vor der Partitur, die Szenen meiner Donna dirigierend. Mein ganzer Sinn – meine Gedanken sind süße Melodie. – Ich schreibe, unbekümmert um kontrapunktische Künste, allerlei Kanzonetten und Arien, die Lauretta singt, wiewohl nur im Zimmer. – Warum will sie nie etwas von mir im Konzert singen? – Ich begreife es nicht! – Aber Teresina erscheint mir zuweilen auf stolzem Roß mit der Lyra wie die Kunst selbst in kühner Romantik – unwillkürlich schreib ich manch hohes ernstes Lied! Es ist wahr, Lauretta spielt mit den Tönen wie eine launische Feenkönigin. Was darf sie wagen, das ihr nicht glücke? Teresina bringt keine Roulade heraus – ein simpler Vorschlag, ein Mordent höchstens, aber ihr langgehaltener Ton leuchtet durch finstern Nachtgrund, und wunderbare Geister werden wach und schauen mit ernsten Augen tief hinein in die Brust. – Ich weiß nicht, wie ich so lange dafür verschlossen sein konnte. –


Das den Schwestern bewilligte Benefiz-Konzert war herangekommen, Lauretta sang mit mir eine lange Szene von Anfossi. Ich saß wie gewöhnlich am Flügel. Die letzte Fermate trat ein. Lauretta bot alle ihre Kunst auf, Nachtigalltöne wirbelten auf und ab – aushaltende Noten – dann bunte krause Rouladen, ein ganzes Solfeggio! In der Tat schien mir das Ding diesmal beinahe zu lang, ich fühlte einen leisen Hauch; Teresina stand hinter mir. in demselben Augenblick holte Lauretta aus zum anschwellenden Harmonika-Triller, mit ihm wollte sie in das a tempo hinein. Der Satan regierte mich, nieder schlug ich mit beiden Händen den Akkord, das Orchester folgte, geschehen war es um Laurettas Triller, um den höchsten Moment, der alles in Staunen setzen sollte. Lauretta, mit wütenden Blicken mich durchbohrend, riß die Partie zusammen, warf sie mir an den Kopf, daß die Stücke um mich her flogen, und rannte wie rasend durch das Orchester in das Nebengemach. Sowie das Tutti geschlossen, eilte ich nach. Sie weinte, sie tobte. ›Mir aus den Augen, Frevler‹, schrie sie mir entgegen – ›Teufel, der hämisch mich um alles gebracht – um meinen Ruhm, um meine Ehre – ach, um meinen Trillo – Mir aus den Augen, verruchter Sohn der Hölle!‹ – Sie fuhr auf mich los, ich entsprang durch die Türe. Während des Konzerts, das eben jemand vortrug, gelang es endlich Teresinen und dem Kapellmeister, die Wütende so weit zu besänftigen, daß sie wieder vorzutreten sich entschloß; ich durfte aber nicht mehr an den Flügel. Im letzten Duett, das die Schwestern sangen, brachte Lauretta noch wirklich den anschwellenden Harmonika-Triller an, wurde über


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