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Seite 4 - E.T.H. Hoffmann: Die Fermate


Du weißt, wie jede fremde Erscheinung auf den in kleinstädtischer Beengtheit Erzogenen elektrisch wirkt – zumal diese, welche so unerwartet in mein Leben trat, war ganz dazu geeignet, mich wie ein Zauberschlag zu treffen. Denke dir zwei schlanke, hochgewachsene Italienerinnen, nach der letzten Mode phantastisch bunt gekleidet, recht virtuosisch keck und doch gar anmutig auf meinen Onkel zuschreitend und auf ihn hineinredend mit starker, aber wohltönender Stimme. – Was sprechen sie denn für eine sonderbare Sprache? – nur zuweilen klingt es beinahe wie deutsch! – Der Onkel versteht kein Wort – verlegen zurücktretend – ganz verstummt, zeigt er nach dem Sofa. Sie nehmen Platz – sie reden untereinander, das tönt wie lauter Musik. – Endlich verständigen sie sich dem Onkel, es sind reisende Sängerinnen, sie wollen Konzert geben am Orte und wenden sich an ihn, der solche musikalische Operationen einzuleiten vermag.


Wie sie miteinander sprachen, hatte ich ihre Vornamen herausgehorcht, und es war mir, als könne ich, da zuvor mich die Doppelerscheinung verwirrt, jetzt besser und deutlicher jede einzelne erfassen. Lauretta, anscheinend die ältere, mit strahlenden Augen umherblitzend, sprach mit überwallender Lebhaftigkeit und heftiger Gestikulation auf den ganz verlegenen Onkel hinein. Nicht eben zu groß, war sie üppig gebaut, und mein Auge verlor sich in manchen mir noch fremden Reizen. Teresina, größer, schlanker, länglichen ernsten Gesichts, sprach nur wenig, indessen verständlicher dazwischen. Dann und wann lächelte sie ganz seltsam, es war beinahe, als ergötze sie sehr der gute Onkel, der sich in seinen seidenen Schlafrock wie in ein Gehäuse einzog und vergebens suchte, ein verräterisches gelbes Band zu verstecken, womit die Nachtjacke zugebunden, und das immer wieder ellenlang aus dem Busen hervorwedelte. Endlich standen sie auf, der Onkel versprach, für den dritten Tag das Konzert anzuordnen, und wurde samt mir, den er als einen jungen Virtuosen vorgestellt, höflichst auf nachmittag zur Ciocolata von den Schwestern eingeladen. Wir stiegen ganz feierlich und schwer die Treppen hinan, es war uns beiden ganz seltsam zumute, als sollten wir irgendein Abenteuer bestehen, dem wir nicht gewachsen. Nachdem der Onkel, gehörig dazu vorbereitet, über die Kunst viel Schönes gesprochen, welches niemand verstand, weder er noch wir andern, nachdem ich mit der brühheißen Schokolade mir zweimal die Zunge versengt, aber, ein Scävola an stoischem Gleichmut, gelächelt hatte zum wütenden Schmerz, sagte Lauretta, sie wolle uns etwas vorsingen. Teresina nahm die Chitarra, stimmte und griff einige volle Akkorde. Nie hatte ich das Instrument gehört, ganz wunderbar erfaßte mich tief im Innersten der dumpfe geheimnisvolle Klang, in dem die Saiten erbebten. Ganz leise fing Lauretta den Ton an, den sie aushielt bis zum Fortissimo und dann schnell losbrach in eine kecke krause Figur durch anderthalb Oktaven. Noch weiß ich die Worte des Anfangs: ›Sento l'amica speme.‹ – Mir schnürte es die Brust zusammen, nie hatte ich das geahnet. Aber sowie Lauretta immer kühner und freier des Gesanges Schwingen regte, wie immer feuriger funkelnd der Töne Strahlen mich umfingen, da



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